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Geiger, um wenigstens ein Triv besetzen zu können. Man dachte an den ersten Geiger der Stadtkapellc. Man giebt ihm jedesmal drei Mark, so kommt er mit Vergnügen. Er thuts auch mit zwei Mark. Dies wurde denn auch versucht, aber es giug nicht. Der Herr „Kapellmeister" kratzte auf seinein schauerlichen Instrumente herum, daß es erbärmlich war anzuhören. War deuu niemand in der ganzen Gegend, der einigermaßen Geige streichen konnte? Ei freilich, der Herr Zuckerfabrikdirektor spielte sehr hübsch Bioliue uud hatte kaum eiue halbe Stnude bis Prvtzkan. Warum beteiligt sich denn der nicht am Kränzchen. — Er ist nicht ein- geladeu worden. — Aber warnm denn nicht? — Seine Frau ist eine gebvrue — Goldstein, wurde unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitgeteilt. — Aber ich bitte Sie, erwiderte der Herr Amtsrichter, über solche Vorurteile sollte man doch hinweg sein. Nein, meine Herren, lassen Sie uns ruhig deu Direktor auffordern. Wir »vollen doch Mnsik hören, was kommt es auf deu an, der sie macht. Und wenn wir solche Kräfte ungenützt lassen, kann ans unserm Kränzchen niemals etwas ordentliches werden. — Die Herren hatten doch ihre Bedenke», aber sie kamen gegen den Herrn Amtsrichter nicht auf. Dieser setzte es durch — einige behaupteten, daß er eigenmächtig gehandelt habe —, daß der Herr Direktor eingeladen werde. Der Herr Direktor kam auch, und zwar zunächst allein. Jetzt fehlte der Herr Baron. Als man aber zum darauffolgenden Kränzchen ein hervorragendes Programm zusammengebracht hatte, Beethovens Kreutzersonate, Schumanns Franen- lieb uud -Lebeu, Mendelssohns Sommernachtstraum und andre schöne Sachen, und als die Fran Direktor, geborne Goldstein, mit ihren Fräulein Schwestern Sally, Fauuy und Sarah in buuter Seide ankamen, war anßer den Mitwirkenden uud ihre» Angehörigen, sowie deu Herren Gorgaß und Lauter niemand da.
Auch gnt, sagte der Herr Amtsrichter. Kommen Sie, meine Herrschaften, jetzt »mchen wir Mnsik unter uns, dabei kommen wir besser auf unsre Rechnung.
„Mach deine Rechnung mit dem Himmel, Vogt, fort mußt du, deiue Uhr ist abgelaufen," sagte Herr Lauter uud zog iu tragischer Haltung hinter der abziehenden Musikanteugesellschcift her.
Das war das Ende des Kränzchens.
Der goldne Engel
Erzählung von Luise Glaß (Fortsetzung) 10
m Ostermontag ging es lebhaft zu im alten Kegelschub hübe» und drüben. Im goldnen Engel war Polterabend, in der Schmiede feierten sie das älteste der fünf Räder. Der Franz war eingesegnet worden und sollte morgen auf ein Jahr fort iu fremde Lehre. Eiu Schmied mußte natürlich draus werden, aber Vaters Hand ist zu hart oder zn weich, die ersten Hörner müssen anderswo herunter. Da gabs Abschiedsfest mit ein paar Gästen, nnd „Ackermanns Line" kochte für die halbwüchsigen Herrchen.