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Skizzen aus unserm hentigen Volksleben
daß es gestattet sei, sein Wohlgefallen zu äußern, wenn sich die Damen der guten Gesellschaft produzieren, aber nicht bei dieser Frau Apotheker, die nicht gesellschaftsfähig sei, und deren Vergangenheit niemand kenne.
Auch das Klavier mißfiel dem Herrn Amtsrichter. Man müsse durchaus für ein besseres sorgen, auf diesem alten Kasten breche man ja die Finger. Es war richtig, das Klavier war heillos, »nd Stimmung hielt es auch nicht. Es wurde vorgeschlagen, Herr Gorgaß, der ein halbes Dutzend Klaviere besitze, könne jn eins dein Kränzchen borgen. Aber davon wollte Herr Gorgnß nichts hören. Er versicherte unter höflichstem Hackenzusammenschlngen, daß er zu allen Diensten bereit sei, aber seine kostbaren Instrumente weggeben —
„Ja, Bauer, das ist etwas andres," zitierte Herr Lanter, woranf Herr Gorgaß böse wurde und sagte, er verbitte sich anzügliche Redensarten. Worauf Herr Lauter, der sich nichts schlimmes gedacht hatte, erschrak und verstummte. Später hat er immer Vorsichtig um sich geschaut, ob nicht Herr Gorgaß in Hörweite sei, ehe er sich wieder ein Zitat leistete.
Mit Herrn Pastor Langbein hatte sich der Herr Amtsrichter bald befreundet, und es kam ein ganz erfreuliches vicrhändiges Spiel zu stände. Aber mit dein Herrn Baron hatte es seine Schwierigkeiten. Der Herr Baron redete zwar über Musik sehr klug, kannte auch alle berühmten Celli aller berühmten Cellisten, aber er war nicht in Takt zu bringen und nahm es übel, wen» er nu sciue Pflicht erinnert wurde, nicht bloß seine eignen Wege zu waudclu.
Der nächste Kränzchentag war wieder schwächer besucht als der vorige. Mehrere der ältern Damen fehlten. Auch die Frau Barouin. Sie soll gesagt haben, die Gesellschaft in Protzkan werde ihr jetzt zn gemischt. Anch die Iran Doktor erklärte von vornherein, daß sie daran denke, cmszntreten. Sie habe jetzt, seit der Herr Kandidat abends zum Musizieren komme, genug Musik im Hanse. — Und daß ihrs nnr wißt, fuhr sie fort, der Herr Amtsrichter ist verlobt mit eiuer Fabrikantentvchter aus Elberfeld — schon seit einem halben Jahre.
O Pfui! sagte Fräulein Amalie.
Aber man habe doch keinen Verlobungsring gesehen. — O doch, das alte Ding, das er trage, sei der Verlobungsring, ein altes Erbstück, das schon seine Urgroßmutter getragen habe.
Wie gräßlich!
Na, gräßlich ist es gerade nicht, Frnuleiu Amalie. Ich hasse Erbstücke. '
Machen Sie sich doch nicht! Wenn Sie nur solch ein Erbstück nm Finger hätten!
Darauf hielt die Frau Doktor dem Herrn Kandidaten eiuen Vortrag über die Erziehung der Töchter. Die Frau Professor Mehrau sei eine herzensgute Frau, aber ganz erschrecklich schwache Mutter. Was sie au ihrer Amalie zusammenerzogcn habe, sei haarsträubend. Diese Amalie könne auf der ganzen Welt nichts weiter, als zu allem ihren dummen Schnack machen! aber zufassen gebe es nicht. Sie habe es mit ihren Töchtern anders gehalten, die wären Wohl erzogen, arbeitsam, geschickt, anspruchslos. Und die Leue könue mau unbesehens nehmen, mit der sei kein Mann betrogen. Man kann sich denken, daß, als es bekannt wnrde, der Herr Amtsrichter sei verlobt, der Eifer für die Musik bei vielen erkaltete.
Der Herr Amtsrichter hatte von nlledem keine Ahnung. Er hatte sich zur Aufgabe gemacht, die musikalischen Leistungen des Kränzchens zu heben und setzte es durch — andre sagten, er habe einigermaßen eigenmächtig gehandelt —, daß ein Pianino gemietet und im Saale aufgestellt wurde. Nuu aber fehlte noch ein