Litteratur
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schulinspektor, also durch seine Beförderung zu einem höhern Stantsamte, habe er die mit dem vorigen Amte erworbnen Rechte verloren. Gewiß interessant! Ja, werden die Herren Juristen sagen, wenn wir die Gesetze so verstehen wollten, wie es der einfache Wortlaut nahe legt, wozu wäre denn da das juristische Studium notwendig? Da könnte ja jeder Bauer Richter sein! Wer die Sache genauer studieren will, findet die ausführliche Darstellung im 27. Bande der Pädagogischen Blätter S. 643 bis 663.
Litteratur
Erbauliche Bücher. Das erste ist für Katholiken geschrieben und zwar für vornehme. Es bewegt sich um die höchsten Spitzen der irdischen Gesellschaft, es giebt eine Kombination von Geist, Weltförmigkeit uud Religiosität, so pikant, verführerisch, suggestiv, möchte man sagen, wie ich mich nicht erinnere, sie in irgend einem ähnlichen Buche gefunden zu haben. Das andre, für evangelische Leser, beschäftigt sich mit dem Gemütslebeu eines engen und kleinen, beinahe ärmlichen Familienkreises und ist von einer Einfachheit des Gegenstands und der künstlerischen Bearbeitung, daß man sie bei einem doch unterhaltenden Buche von voruherein nicht für möglich halten wird: die Natur selbst hat hier die ganze Wirkung übernommen. Dort agieren Franzosen, Italiener, Engländer, vom Fürsten bis zum einfachen Baron, durcheinander in verschiednen Ländern und in den europäische» Hauptstädten. Hier sitzt eine alte Handwerkersfran, umgeben von ihren Kindern, zeitlebens auf ihrem einsamen schottischen Dorfe und bildet den Mittelpunkt ihres Kreises, wie die Weltdame es in dem vornehmern Buche für den ihren thut. Beide Bücher find ius Deutsche übersetzt. Beginnen wir mit dem ersten.
Pauliue Craven, die 1891 im Alter vou zweiuudachtzig Jahren in Paris starb, war die Tochter eines alten legitimistischen Grafenhnuses, ihr Vater war Gesandter Karls X. am Hofe von Neapel. Dort heiratete sie 1334 Augustas Craven, den Sohn des bekannten, unmenschlich reichen Lords. Weil aber Augustus aus Liebe zu seiner Gattin zu ihrem Glauben übertrat, so entging ihm nicht nur ein Teil der väterlichen Erbschaft, sondern seine Laufbahn als englischer Diplomat wurde dadurch zerstört, uud der an Thätigkeit gewöhnte Mann fiel von einem Projekt ans das andre. Er wechselt seinen Aufenthalt (Neapel, London, Rom, Paris), verliert sein Vermögen uud stirbt 1884. Das war der schwere Preis, mit dem Pauline die Erfüllung ihres Herzenswunsches zu zahlen hatte. Sie selbst überlebte dann ihren Gatten nur noch wenige Jahre und starb halbseitig gelähmt und seit elf Mouaten sprachlos. Paulinens Freundin war eine Herzogin Fieschi, die sie seit 1840 kannte — die Frauen wechselten Briefe, wenn Pauline abwesend war —, und diese Freundin hat, zum Teil mit den Worten der Briefe, ein kurzes, sehr eindruckvolles Lebensbild Paulinens geschrieben, das von Marie von Kraut übersetzt worden ist und nach zwei Jahren schon in zweiter Auflage erscheint (Berlin, Mittler und Sohn). Es hat also seinen Leserkreis gefunden.
Pauline und ihre sechs Geschwister waren regsamen Geistes und warmblütige Menschen, sie selbst galt unbestritten als die am reichsten begabte, sie war auch körperlich verhältnismäßig kräftig, während die andern an organischen Krankheiten