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Maßgebliches und Unmaßgebliches
rief: Mittag ist fertig! machte sich Nett unten bereit, und knarrten die Bretter unter Karls Tritt, dann stieg sie hinauf und schlich sich mit einem Töpfchcn lauen Wassers durch die Wertstatt in die Hexenküche, Sie sah nicht rechts, nicht links, nur nach der Blume uud wurde von Tag zu Tag ernsthafter, denn ihr Wunder half uicht, obwohl Kuospe nm Knospe sich rundete und färbte.
Eines Morgens endlich — die Märzsonne lockte schon an den glänzenden Kastanienzweigen —, als Karl, von einem neuen Einfall besessen in die Werkstatt trat, war sie aufgeblüht. Das bemerkte er doch, lichtrosa leuchteten ihm vier volle Blumenkelche entgegen.
Er ging ans Fenster nnd sah in sie hinein. Makellos — vollkommen — nicht wie sein Werk mühsam berechnet und doch ewig nuvolleudet, sondern ein Geschenk ans der Hand der Natur, angeblasen vom Hanche des Lebens, und das Wunder wuchs und vollendete sich aus cingeborner Kraft.
Seine Räderchen nnd Reifen, seine Schieber und Haspen waren ihm noch nie so hoffmmgslos tot erschienen, wie in diesem Augenblick; angesichts dieser Blüten sagte er sich: Du wirst den goldnen Engel nie beleben, Verlorne Kraft ist dein Thnn nnd Verlorne Mühe.
Er sah die Blüten an und lauschte hinaus, wo Netts Stimme erklang. Auch iu ihm war ein Keim Vom Lebenshanch berührt worden uud wuchs stetig mit den Azaleeublüten dem Lichte entgegen.
(Fortsetzung folgt)
Maßgebliches und Unmaßgebliches
England und die „teutonische Allianz." Es ist kaum glaublich, wie liebeuswürdig die englischen Zeitungen plötzlich für Deutschland werden. Man erteilt uns von England aus die schönsten Ratschläge, unsre Kolonien anfzngeben, überhaupt keine eignen Kolonien mehr zu gründen, da wir uns weit besser stehn würden, wenn wir nnsre überseeischen Interessen lediglich dnrch frenndschaftliche Haltung zu England schützten. England verlange ja weiter nichts, als daß Deutschland ihm weder iu Europa uoch auderswo in den Weg trete. Daß England uns und allen andern Völkern in den außereuropäischen Erdteilen in den Weg zn treten sucht oder wirklich iu den Weg tritt, haben wir in Kiautschou und in Faschoda zur Genüge gesehen nnd sehen es täglich in Englands Verhältnis zu Rußland. Rußland ist jetzt in Zentralasien mit dem Bau seiner transkaspischen Bahn bis Knschk vorgedrungen. In wenigen Tagen können russische Truppen vor Herat, der Grenz- fcstung von Afghanistan stehn. Fällt den Russen Herat in die Hände, dann hindert sie so leicht niemand, bis an die jenseitige Grenze, nnmlich bis an das Thor Indiens vorzudringen, und dann wird ein Kampf zn Lande beginnen, bei dein den Engländern ihre Flotte wenig helfen kann, namentlich in dem Falle, wo die europäischen Festlandstaaten zu Rußland stehn. Das russische Heer, an Zahl und Ausbildung dem englischen überlegen, würde wohl zweifellos in einem solchen Falle den Sieg davon tragen.
Deshalb redet man heute in England so viel von der Naturnotwendigkeit einer