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Zur reichsgesetzlichen Regelung des verstcherungsrechts
einem die Interessen der Versicherten berücksichtigenden Sinne dringend notwendig ist.
1. Die Aktiengesellschaften werden nach dem Gesetz vertreten durch ihren Vorstand; nur die von diesem oder diesem gegenüber abgegebnen Willenserklärungen sind sür die Gesellschaft verbindlich. Andrerseits kommen thatsächlich die Vorstandsmitglieder mit den Versicherten weder beim Abschluß, noch während der Dauer des Versicherungsvertrags in irgend welche direkte Berührung; der Versicherungslustige verhandelt nicht mit dem Vorstande, auch nicht mit dem von diesem (für die Provinz oder den Bnndesstaat) mit weitgehenden Vertretungsbefugnissen bestellten sogenannten Generalagenten; der Versicherungslustige hat vielmehr lediglich mit dem „Agenten" der Gesellschaft zu verhandeln, den diese in jeder Kleinstadt hat. Bei diesem Agenten werden die Versicherungsanträge eingebracht, mit ihm allein werden die Einzelheiten der beabsichtigten Versicherung besprochen, vor ihm oder — was das gewöhnliche ist — sogar von ihm werden die von der Gesellschaft vorgelegten Fragebogen ausgefüllt; nur durch ihn händigt die Gesellschaft dem Versicherten die Versicherungsurkunde aus; an ihn werden die Zahlungen geleistet, und er nimmt alle während der Dauer der Versicherung zu erstattenden Anzeigen entgegen, schreitet auch für die Gesellschaft bei dem Eintritt des Brandschadens ein; kurz in den Augen des Versicherten ist dieser Agent der Vertreter der Gesellschaft, und er gebärdet sich auch als solcher. Das zeigt sich, wie erwähnt, schon beim Abschluß des Vertrags: der Agent legt dem Versicherungslustigen die bekannten Fragen vor und nimmt die Beantwortung der Fragen (nach dem Lebensalter der Großeltern und dem Gesundheitszustand aller Vettern und Basen, früher erlittnem Brandschaden usw.) entgegen; gewöhnlich — namentlich gegenüber minder Geschäftsgewandten — trägt er die ihm vom Versicherungslustigen gegebnen Antworten in das Formular ein; ja oft genug überläßt der letzte das von ihm unausgefüllt unterschriebne Formular dem Agenten mit dem Auftrage, es nachträglich nach den wahrheitsgemäß abgegebnen Antworten auszufüllen.
Nun hat aber der Agent — seiner Provision wegen — das höchste Interesse an dem Zustandekommen der Versicherung; er ist daher geneigt, die vom Versicherungslustigen gegebnen Antworten und die von ihm gewünschte Auskunft über den Sinn und die Tragweite der im Fragebogen und in den zugleich mitgeteilten „allgemeinen Bedingungen" enthaltnen Vorschriften möglichst so zu erledigen, daß nur ja die Gesellschaft den Antrag nicht ablehnt; die vom Versicherungslustigen wahrheitsgemäß gegebne Auskunft, daß seine Großmutter oder zwei seiner Nichten an „Auszehrung" gestorben seien, oder daß er schon vor sieben Jahren in einem benachbarten Bundesstaat Brandschaden erlitten habe, und die dieserhalb etwa vom Versicherungslustigen geäußerten Bedenken weist der Agent als unbeachtlich zurück, weil wohl der Tod andrer Familienmitglieder an „Schwindsucht," nicht aber an „Auszehrung,"