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Einige Bedenken über die Politik der konservativen Partei im preußischen Landtage
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Einige Bedenken über die Politik der konservativen Partei

erscheint diese Behauptung für den Eingeweihten vielleicht als eine xtg, triM8, als eine Art Einbildung. Schon manchmal konnte man sich schwer der Empfindung verschließen, als lasse sich die konservative Fraktion auch durch persönliche Abneigung und bloße besondre Zuneigung in ihrer ganzen Haltung leiten oder doch stark beeinflussen. Einem Minister, der allzu sozialpolitisch eifrig, zu arbeiter- und arbciterfürsorgcfrcundlich, zu gleichgültig oder zu wenig rücksichts­voll gegen den Arbeitgeber zu sein schien (Frhr. von Berlepsch), dem zeigte man Übelwollen bei jeder Gelegenheit, seine Gesetzesvorlagen wurden besouders nachhaltig bekämpft; das war zum mindesten der Fall bei seiner Vorlage wegen der Einführung obligatorischer Handelskammern, die man schon deshalb ablehnte, weil man keine obligatorischen Landwirtschaftskammern bekommen hatte, ohne den in die Augen fallenden Unterschied beider Einrichtungen zu berücksichtigen. Umgekehrt kommt man den Planen des Finanzministers, der agrarfrenndlicher erscheint, der die Grundsteuer mit den andern Nealsteuern außer Hebung gesetzt hat, freundlicher entgegen. Als z. B. seiner Zeit durch den Etat für zehn Regierungen neue (vierte) Oberregierungsräte für die Leitung der Steuerangelegenhcitcn gefordert wurden, erhoben sich wie allgemein bekannt lebhafte Besorgnisse und Bedenken: man fürchtete einen unliebsamen büreaulratischcn Einfluß auf die Einkommensteuerkommissionen und andre Nach­teile; aber der Widerspruch blieb im Hause unausgesprochen, die Stellen wurden ohne weiteres bewilligt.

Doch wir kehren nach dieser Abschweifung zum eigentlichen Thema zurück. Nachdem man 1890 das Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemvkratie hatte fallen lassen, wofür in erster Linie die Konservativen die Verantwortung trugen, wäre es um so dringender gewesen, fortzuschreiten auf dem Wege, den die berühmte Botschaft Kaiser Wilhelms I. vom 17. No­vember 1881 gewiesen hatte. Als sich aber trotz der Arbeiterfürsorgcgcsetze (Kranken- und Unfall-, sowie Jnvaliditnts- und Altersversicherung) die sozial­demokratischen Stimmzettel bei den Reichstagswahlen immer vermehrten, als man die Arbeiter immer unzufrieduer und begehrlicher werden sah, wandte man sich von der Sozialreform ab, man verzichtete auf den Plan, die Arbeiterin der Form korporativer Genossenschaften" zusammenzufassen, man kehrte sich mehr und mehr der Politik der Gewalt zu. Statt die sozialdemokratischen Ideen zu bekämpfen, wollten die Konservativen die Arbeitermassen mundtot machen durch die Vereinsgesetznovelle von 1897, die einen so schrillen Mißklang in die Verhandlungen des preußischen Landtags brachte und zu einer Niederlage des Ministeriums und seiner konservativen Gefolgschaft führte. Statt nur sozialdemokratische, sozialistische und anarchistische, auf den Umsturz der Staats­und Gesellschaftsordnung gerichtete Unternehmungen zu bekämpfen, wollte man durchkautschukartige," der festen Begriffsbestimmung sich entziehende Bestim­mungen den Polizeiorganen Befugnisse einräumen, durch die schließlich in er-