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Skizzen aus unserm heutigen Volksleben
für die sieben reicht. Nicht wahr, Dvrchen? Damit strich er seinem kleinen Mädchen, das neben ihm stand, über das Strohdach.
Mm, sagte Dorchen und biß vergnügt in ihr Stück Salzbrot.
Na ja, meinte Gottlieb, als er über die Sache weiter nachdachte, jeder, wie ers haben will. Da ist zum Beispiel Schlenker-Karl. Wie der seine Karoline heiratete, da stellten sie sich alle nn, als sollte jetzt das Paradies ans Erden losgehn. Was hat er nun? Die Frnn krank, die Kinder krank, den Doktor im Hanse das ganze Jahr lang, und die Base im Hanse, und außerdem noch die Maiern zur Pflege. Das kommt und geht, und keinen Tag ist Ruhe. Und was kostet das alles! Bei mir geht kein Mensch aus und ein, und der Doktor und der Apotheker könnten meinetwegen verhungern. Und Schwalber-August, wie weit wird ders bringen? Den kennt man kaum uoch. Wenn die Kinder halbwegs ran sind, dann ist er fertig. Dann sitzt er als alter Mmm hinter dem Ofen, oder sie tragen ihn hinaus auf den Gottesacker. So dumm! Da habe ichs doch besser. — Und wirklich, unserm Gottlieb ging nichts nb, er hatte immer einen Thaler Geld in der Tasche, wofür er sich eine Güte thun konnte, er machte sich keine Sorgen, that seine Arbeit nnd hatte abends die schönste Zeit, Bücher zu lesen und zu erfahren, wie es iu der Welt aussieht, und was sie in die Bücher schreiben.
So vergingen viele Jahre. Die Mutter war gestorben; Gottlieb wirtschaftete mit fremden Leuten und erlebte manchen Ärger. Wo er die Augen nicht hatte, und er konnte sie doch nicht überall haben, wurde gebummelt oder gestohlen. Es war auf keinen Menschen Verlaß. So dumm! sagte Gottlieb zu sich selbst, was soll ich mich denu ärgeru? Ich verpachte meinen Acker, dann bringt er mir immer noch so viel, daß ich davon leben kann, nnd ich brauche nichts zu thun, als was mir Spaß macht.
Gut, Gottlieb verpachtete seinen Acker und wurde Rentier. Er trug von jetzt an einen städtischen Hut und städtischen Rock, ging spazieren, wenn andre Leute arbeiteten, und reiste in der Welt nmher. Wo irgend etwas los war, ein Viehmarkt, eine Auktion, ein Schützenfest, da war auch Gottlieb zu sehen. Sogar in Berlin und Hamburg ist er gewesen. Dabei wurde er immer klüger. Wenn er des Abends in der Schenke uuter seinesgleichen saß, so langweilte es ihn, wenn diese ihre endlosen Geschichten spannen, die darauf hinausliefen, daß dieser der Vetter von jenem, und jener der Schwager von noch einem andern sei, und daß dieses Paar Pferde so nnd so viel gekostet habe, nnd daß damals der Hammel oder das Kalb so und so viel wert gewesen sei. Wenn er nun seinerseits von Berlin oder Hamburg zu sprechen anfing, so ging niemand darauf ein, und es dauerte nicht lauge, so war mau wieder bei dem bewußten Hammel. Und hinter seinem Rücken sagten sie — er merkte es wohl —, bei Gvttlieben sitzt eine Schraube falsch; aber das kommt davon, wenn man nichts thnt. Gvttlieb suchte also gebildete Unterhaltung beim Herrn Pastor und dem Herrn Kantor. Besonders mußte der Herr Pastor herhalten. Gottlieb kam mit der langen Pfeife und setzte sich ein paar Stuudeu hin, er hatte ja Zeit genug, und führte ein gebildetes Gespräch. Wenn eins der Kinder kam und die Kunde brachte, Gottlieb stehe am Hofthore, so cutrüstete sich die Frau Pastorin über diesen gräßlichen Kerl von Gottlieb, der dem lieben Gott reinweg die Zeit stehle, und die Kinder ließen die Ohren hängen, denn jetzt galt es, ein paar Standen Ruhe halten, bis die gebildete Unterhaltung vorüber war. Und der Herr Pastor schlag seufzend die Kirchenzeitung zn, in der er gerade las. Hinterher war der Herr Pastor allemal halb tot vor Ungeduld und Langerweile.