Islam und Zivilisation
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erste große nationale Arbeitsteilung; wieder ein halbes Jahrhundert später vervollständigt der Stadtbürger in dem Beruf als Kaufmann oder Handwerker die ursprüngliche ständische Gliederung. Hierarchischer Gehorsam und Askese beherrschen die Geister bis zur Mitte des zwölften Jahrhunderts. Diesem Zustande gegenüber erscheint die Kultur des muhammedanischen Orients und des maurischen Spaniens um das Jahr 1000 als viel höher. Die Völker des Islam stehen zu dieser Zeit noch an der Spitze der Zivilisation: noch der Geschichtschreiber des Kreuzzuges von Richard Löwenherz bewundert die kriegerischen Tugenden der Muhammedaner; er nennt diese reich an jeder Art von Tüchtigkeit und meint, sie entbehrten nur des wahren Glaubens, um das erste Volk der Welt zu sein. In der Religion lag damals also keinesfalls ein feindseliger Gegensatz zur Kultur, und so entsteht die Frage: Woher stammte die frühe Blüte, und wie kam es, daß sich das Verhältnis von Morgenland und Abendland später völlig umkehrte?
Bei der Schilderung der arabischen Kultur folgen wir im wesentlichen der Kulturgeschichte der Kreuzzüge von Prutz. Die Lehre Muhammeds ist vor allen Dingen reiner Monotheismus und nur darin völlig originell, daß sie allein von allen Religionen ursprünglich kein Wunder kennt. Dogmatisch ist der Islam in der Hauptsache eine Mischung jüdischer und christlicher Lehren; namentlich zeigt er eine große Verwandtschaft mit dem christlichen Arianismus. Peter, der Abt von Cluny, bekennt in einem Briefe an Bernhard von Clairvaux, er wisse nicht, ob er den Islam als eine christliche Häresie oder einen Götzendienst bezeichnen solle, und giebt zu, daß er viel Wahres enthalte. Noch Dante faßt Mnhammed auf als den Urheber eines Schisma in der Christenheit und den Islam als eine orientalische Sekte. Als der Arianismus im Abendlande dem Bunde des römischen Bischofs mit den katholischen Franken erlag, erhob er sich in morgenländischer Färbung unter der Fahne Muhammeds in verjüngter Gestalt und eroberte in raschem Siegeszuge die halbe Welt.*) Merkwürdigerweise ist von katholischen Heißspornen die Reformation häufig als eine Tochter Muhammeds bezeichnet, die Prädestinationslehre mit dem Fatalismus, die Bilderfeindlichkeit der Protestanten mit der des Islam verglichen worden. Gegen Christentum und Judentum stellte sich der Muhammedanismus versöhnlich, auch Christus und Moses waren ihm wahre Propheten; gegen den Polytheismus und den Pantheismus führte er überall einen Vernichtungskrieg. In Damaskus, dem Sitze der Ommaijadischen Kalifen von 661 bis 750, blühte gleichzeitig eine islamitische und eine christliche Theologenschule; die Verwandtschaft mehrerer der zahlreiche» muhammedanischen und christlichen Sekten dieser
Alle andern bedeutenden germanischen Völker waren Arianer, so die Goten, Burgunder, Vandalen, Sueven und Langobarden, Die Parteinahme Chlodwigs und Justininns entschied gegen den Arianismus.