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Der goldne Lngel
Morgen, Charles, morgen! Heute zeig ich ihn dir. Aber sag der Line nichts, sie ist ganz verdreht, sie thäte was, ums zn hindern. Doch nicht, widersprach er sich selber und sah dem Sohne nachdenklich ins Gesicht. Doch nicht. Etwas Schlechtes würde sie nicht gerade thun, sie kann sich nur nicht aufschwingen und glaubt nicht au andrer Leute Flügel; weder au die der Seele, noch an meine sichtbaren draußen auf der Wiese. Kleiu ist sie, dafür kann sie nichts, ist ein Weib. Mein Juuge, nimm dich vor den Weibern in acht, sobald du etwas Großes auf die Füße stellen willst. Entweder spinneu sie dich ein mit ihrem kleinen Behagen wie die Elfen den Ritter im Mondschein, bis du dich nicht mehr rühren kannst und unthätig hinträumst, was sie ein glückliches Leben nennen; oder sie zerstören dir mit Quengeln und Jammern den Arbeitsfriedeu, werfen dir Erbsen in den Weg, auf daß du ausgleitest, und hängen sich nn deine Schwingen, bis sie gebrochen sind. Sie können nichts dafür, es ist ihre Art.
Karl wollte das «icht glauben; wie er aber dann von Frau Flörke zur Rede gestellt wurde über das Wo und Wie seiner Rückkehr, wie er Linen bluß und erregt beim Vesperbrot hantieren sah, da standen des Vaters Worte lebendig vor ihm mit hinweisender Hand, und die andern, die lieblichen, wie die Meisterstochter draußen, oder Nett, das Ding, die mochten einen nachher wohl einspinnen zu willenloser Traumseligkeit.
Gleich nach der Vesper gingen die beiden Stadels hinaus zum Luftschiff; der Vater besuchte es jeden Tag, und daß ers dem Sohne zeigte, war selbstverständlich, dennoch faßte Linen eine unbestimmte Angst, das Gefnrchtete könne heute geschehen. Sie lauerte dem Mechaniker auf und fragte ihn: Steigt er heute?
I wo, antwortete der erschrocken, sie so nahe bei der Wahrheit zu finden. Denkt nicht dran, Fräulein Line, liegt noch bleifest im Schuppen.
Sie sollen mir nichts weismachen: es geht etwas vor; mein Bruder ist da, und in der Zeitung steht, daß man mit der Füllung begönne.
Der Teufel hole die Zeitungen. Nein, Fräulein Line, so was geht langsam, heute nicht und morgen nicht.
Also übermorgen? fragte sie, als er innehielt.
Übermorgen? antwortete er, in die Enge getrieben, das könnte schon eher seiu, da wärs vielleicht möglich.
Also übermorgen, sagte sie noch einmal, und der Mechaniker machte sich aus dem Staube.
Die Lehrmädchen waren entlassen, das Vvrderzimmer gelüftet und aufgeränmt; dann prüfte Line die Werkstatt noch einmal. Sie hatte dort nach Kräften geschafft, um Karl deu Raum behaglich zu mache», uun war er ja wohl überhaupt noch nicht drin gewesen.
Herr Gott, behüt uns in Gnaden, daß ihn das Unwesen nicht auch zu fassen kriegt, sagte sie leise, den alten Senefclder auf dem Arbeitstisch noch etwas näher an deu Willkommstranß rückend, als ob diese Blumeuuähe die ganze Steinschreiberei lieblicher machen konnte.
Da sah sie endlich, daß Karl doch schon hier gewesen war; seine Mappe lag auf dem Ständer neben dem Arbeitstisch, und als sie die aufschlug, schauten ihr seine Entwürfe entgegen. Ein tiefer Atemzug hob ihre Brust. Gut, flüsterte sie, gut, und wischte sich einen Hauch Feuchtigkeit aus deu Augen.
Unten im Hofe nahm Frau Flörke die letzte Wäsche ab. Ackermann stand in der Thür und redete ein Wort zwischen den Leinen durch, Frau Flörke fings auf und spann eine lange Autwort daraus; inzwischen schaute der Meister deu Schwalben zu, entdeckte dabei Line auf dem Gange und rief sie herunter.