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Maßgebliches und Unmaßgebliches
aus den neuen Handelsbeziehungen ganz erheblich schmälern würden. Man mache in Deutschland „ganz großartige Vorbereitungen für die ostasiatische Campagne," und da sei eine „Überproduktion mit allen ihren schweren Folgen" — „durchaus nicht unmöglich!"
Selten ist naiver versucht worden, den deutschen Michel zu nasführen, als es in diesen wenigen Sätzen geschieht. Freilich auch selten mit mehr Verständnis für das, was man dem Michel bieten kann, und was ihm behagt. Wo in aller Welt haben wir denn die Konkurrenz der genannten Völker und noch mancher andrer nicht zu bestehen? Wo wird bei dieseu Völkern nicht gerade so geklagt über die Konkurrenz der Deutschen, über Erschwerungen und Schmäleruugeu, die sie in der Ausbeutung ueuerschlossener Handelsbeziehungen durch uns erfahren? Stehen die Engländer, die Nordamerikaner, die Russen von der Verfolgung ihrer Handelsinteressen ab, weil auch wir dahinter her sind, weil sie nicht ganz allein, konkurrenzlos, das Geschäft machen können? Die Oloenbergsche Balkoneniheorie, dieses n0n plus ultra, schutzzölluerischer Übertreibung i daß niemand über die Grenzen des dermnligen politischeu und polizeilichen Kontrollgebiets des Einzelstaats hinaus Geschäfte zu machen habe, daß Deutsche mir mit Deutschen konkurrieren dürsten, treibt hier recht charakteristische Blüten. Wenn sich ein Professor in der Stndierstube über diese unnatürlichen Gebilde freut, so haben wir nichts dagegen. Aber dem deutschen Volke mit solchen Schrullen die Welthandelspolitik des deutschen Kaisers verleiden, der Nation ihre Zukunft verderben zu lassen, dagegen Front zu machen hat jeder patriotisch denkende gebildete Mann im Reiche heute mehr als jemals das Recht und die Pflicht.
Und wie steht es denn mit der Wahrheit der so „objektiv" hingestellten Behauptung von den „ganz großartigen Vorbereitungen für die ostasiatische Campagne," die man in Deutschland mache? Das ist objektiv die reine, volle Unwahrheit. Die deutsche Industrie — uud diese kaun nur in Betracht kommen — denkt nicht daran, in unvorsichtigem Optimismus ihre Warenproduktion für den zu erwartenden Export nach China nennenswert zu steigern. Liegen für einen oder den andern Artikel die Chancen gerade günstig, so werden natürlich Exporteure und Fabrikanten, wie schon immer, darauf bedacht sein, rechtzeitig liefern zu können. Allein auf die letztjährigen Erfolge unsrer ostasiatischen Politik hin hat der deutsche Gewerbfleiß eiue Erhöhung seiner Produktion bis jetzt kaum ernsthaft in Erwägung gezogen, viel weniger schon in einem Maße ins Werk gesetzt, daß man die Befürchtungen einer folgenschweren Überproduktion auch nur mit einem Schein von Recht mit diesen Erfolgen, oder dieser „Entwicklung" unsrer überseeischen Wirtschaftspolitik in ursächlichen Znsammeuhaug bringen könnte. Eine Überproduktion mit ihren in der That „schweren Folgen" droht heute vor allem aus der schwindelhaften Überschätznng der Aufuahmefähigkeit des „innern Markts" bei zurückgebliebner Entwicklung der Ausfuhr. Die Leute, die jetzt gegen die Welthandelspolitik und ihre neuste „Entwicklung" eifern, werden in Wirklichkeit für eine kommende Überproduktion verantwortlich zu machen sein, und es könnte fast so scheinen, als ob sie mit ihren überseeischen Gespenstern das Volk blind machen wollten, daß es die Schuldigen nicht sieht, wenn eine Katastrophe kommt. Es klingt ja sehr bescheiden, und es ist fast verdächtig selbstverständlich, wenn gesagt wird, eine Überproduktion sei „durchaus nicht uumöglich." Aber daß das heute iu Bezug auf die augeblich durch die Entwicklung unsrer chinesischen Handelspolitik im Übermaß gesteigerte Unternehmungslust gesagt wird, hat schlechterdings keinen Sinn, wenn nicht den einer Täuschung über den möglichen Grund der Äberprodultionsgefahr. Die Bemühungen,