Maßgebliches und Unmaßgebliches
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den Akademiker und Theoretiker Wngner schätzen mag, den Volksredner und praktischen Politiker Wagner muß mau fast immer scharf bekämpfen, er richtet eben fast immer Verwirrung, Mißverständnis und Schaden an.
Kürzlich hat er sich, wohl durch eine gewisse Gutmütigkeit, verleiten lassen, die „Umfrage" eines sehr verbreiteten Berliner Lokalblatts, das vielfach als Klntsch- blcitt verurteilt wird, aber für seiueu große» Leserkreis doch die Quelle politischer Weisheit ist, durch eine ausführliche Zuschrift über die neuste Entwicklung unsrer überseeischen Wirtschaftspolitik zu beantworten, und dabei hat er insbesondre den Anteil des Deutschen Reichs au der Entwicklung der Dinge in Ostasien den Lesern in einer so einseitigen Beleuchtung und so ungünstig gefärbt dargestellt, daß schon im Interesse der Wahrheit eine Zurückweisung nötig wäre. Vor allen Dingen aber erfordert es das heutige Eutwicklungsstadium der deutsche» Überseepolitik dringend, daß diesem nnr allzu wirksamen Schüren der Feindschaft nnd des Mißtrauens gegen sie im großen Publikum entgegen getreten wird. Die Person Wagners tritt dabei ganz in den Hintergrund, wenn auch sein Name der Agitation besondern Nachdruck giebt. Der Sache gilt nachstehende Kritik. Das sei allen, die die Person nicht von der Sache zu treuueu vermögen, von vornherein gesagt.
Jahrhundertelang hat der deutsche Michel müßig zugesehen und ohnmächtig zusehen müssen, wie sich die andern Völker in die Erde teilten. Erst seit einem Menschenalter sind wir zu der politischen Macht gebracht worden, die uns erlaubt, im Interesse unsrer Zukunft auch draußen in der Welt ein Machtwort mit zu reden. Aber die Faulheit, das alte Behageu an der Bärenhaut liegt dem Volke noch im Blute, Nur gauz langsam und schwerfällig, fast widerwillig fängt die Masfe an, sich um das zu kümmern, was die großen Führer angebahnt und ermöglicht haben. Mit beschämender Gleichgiltigkeit und pöbelhaftem Undank steht das Spießbürgertum, bis hoch hinauf in die eingebildete Intelligenz und den thatsächlichen Reichtum, namentlich in Berlin, dem unermüdlichen Ringen des deutschen Kaisers nach Sicherung nnsrer wirtschaftlichen Znknnft gegenüber. Das deutsche Kapital ist immer noch viel mehr geneigt, durch verschmitzte Spekulation auf die Dummheit der eignen Landsleute, durch schwindelhafte Ausbeutung des „innern Markts" Geschäfte zu machen, als deutschen Unternehmuugen jenseits des Wassers kräftig zn Hilfe zu kommen. Immer noch will mnu es in echt spießbürgerlichen? Stumpfsinn unbeachtet lassen, daß mehr als jemals sich Engländer, Franzosen, Russen und Nordamerikaner rühren, uns wie in alter Zeit um die notwendigsten Vorbedingungen unsrer wirtschaftlichen und nationalen Selbständigkeit anch für die Zukunft zu prelle». Die alte Bärenhänterei ist uvch die herrschende Stimmung. Und da wendet sich jetzt ein preußischer Professor der Stnntswissenschaft, der genau weiß, was sein Name bedeutet, au das Berliner Spießbürgertum mit einer schrullenhaft pessimistischen Kritik der überseeischen Bestrebungen des Kaisers und der Negierungen, die in ihren für den kritiklosen Spießbürger unabweisbaren Konseqnenzen auf nichts andres hinausläuft als auf die Warnung: Haltet die Taschen zu! Wehrt euch eurer Haut gegeu die Welthandelspolitik! Sie ist des Bürgers Rum. Nnr auf dem innern Markt finden der Bauer und der Junker, der Krämer nnd der Zunftmeister seine Rechnung, und außer diesen Leuten hat doch kein Mensch ein Recht, als vollwertiger Deutscher zu gelten!
Über die Aussichten in Ostasien wird den Lesern zunächst folgendes aufgetischt: Unsern Erfolgen dort stünde vor allem „die ungeheure Konkurrenz der Engländer, wohl auch der Nvrdamerikaner und vermutlich bald der Russen" entgegen, die der dcntschcn Industrie die Eroberung der neuen Marktgebiete erschweren, den Gewinn