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Litterarische Rücksichtslosigkeiten eines Hagestolzen
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Litterarische Rücksichtslosigkeiten eines Hagestolze» 7(jg

Frauen im Ballanzngc für Männerangeu zum Gegenstände des Vergnügens her­geben; eine Äußerung wie die des Herrn Legationsrats von R. gegenüber einer verheirateten Frau ist in meiueu Augen eine banale Unverschämtheit.

Bei dem Aschermittwochsmaskenfest läuft die junge Schönheit der reifen denn wirklich den Rang ab. Das Aschenbrodelkostüm (darin habeu wir die Tochter zu suchen) thuts dem Prinzen Karneval (das ist natürlich der Legationsrat) an, die stolze Rnmäniu (wenn etwas stolz sein soll, darf es nm Gottes willen nichts Deutsches sein), die stolze Rumänin (Mutter Wcmda niit ,,dem weichen, Weißen Hermelin­puder auf den runden vollen Wangen") kommt nicht dagegen auf. Schon am fol­genden Tage hält der entzückende Legationsrat bei der Alten, derenSklave" er noch vor drei Tagen war, um die Haud der Tochter au. Der Vater bleibt auch hier iu der Versenkung. Aschermittwoch hat begonnen, Wanda hat gealtert, eine schwere Thräne perlt über ihre Wangen. Die Dichterin möchte uns gern über­reden, auf die verflossene Jugend jener eiteln, gefallsüchtigen Fran auch eine Thräne zn vergießen. Damit hat sie bei mir kein Glück gehabt, vielleicht ist es ihr hier oder da bei ihren Mitschwestern gelungen. Ich kenne die Weiberseele zn wenig, und was ich davon kenne, will es mir nicht so unwahrscheinlich machen.

Und Elsa? warf ich ein.

Liebster rief der Kleine und packte mich nn den Schultern, was für eine Welt! Hör, wie es mir mit Elsa erging. Ich hatte das Blatt unmutig auf den Kaffeetisch geworfen. Was hast du? fragte die Gütige.

Ich reichte ihr die Zeitung. Lies sagte ich.

Ich giug erzählte er weiter inzwischen in der Frühstücksstube auf und ab. Ja, so eine, redete ich auf mich ein, die laß ich gelten! Die hat noch Sinu für natürliche Einfachheit, für natürliche, edle Weiblichkeit; da sind die alten Tugenden, die man den Weibern uachgerühmt hat, noch uicht ausgegeben. Aber unsre moderneu, gefallsüchtigen, oberflächlichen Schriftstellerinnen, die in ungezählten Zeitschriften und Zeitungen dem deutschen Volke die tägliche schöngeistige Litteratur­nahrung vorsetzen schauderhaftes Volk! Diese schmnlschultrigeu, in Falten und Rüschen gehüllten Wesen verweibsen nicht allein unsre Litteratur, sondern auch unsre Sitten. Wir sollen nns nach ihrem Schönheitsideal, nach ihrem gekünstelten Sittlichkeitsideal richten, wir sollen ihre Götter anbeten, was wir Schafsköpfe von Männern denn nnch geduldig thu«. Sie machen Anspruch auf die ethische Führung, die Goethe den Franen zuerknunte, und sehen nicht, daß sie zum Zerrbild der Natur geworden sind. Wir Deutschen haben keinen Überfluß au Kuustkraft; unter diesem litterarischen Weiberregiment werden wir den Rest bald eingebüßt haben. Dazu die fortwährende Verdunklung und Vertauschung vonsittlich" undunsittlich," wahr" undgemacht"! Ihnen fließt täglich die Maxime vom Munde:Arbeit schändet nicht, Arbeit adelt," und in der täglichen Übung predigen sie:Nichts schändet mehr als Arbeit." Seidenkleider, Hermelinpuder, französisch schwatzen, der ganze hohle Krimskrams der gesellschaftlichen Ebenbürtigkeit das alles adelt. Besonne sich die ewig schaffende Natur nicht zuweilen auf ihr Ideal, gäbe es nicht Weiber, wie meine Elsa, die jetzt so überlegen lächelt, natürlich über die elende Geschichte lächelt, man müßte an dem Geschlecht verzweifeln.

Elsa legte das Zeitungsblatt aus der Hand. Ganz reizend!

Bester Freund! Sie sagte wirklich: Ganz reizend. Ich empfand einen Schmerz in der Gegend des Herzens und zugleich ein Aufbäumen dort, wo ich die Galle ver­mute. Und dieser Schmerz wurde nicht gelinder, als ich mm hören mußte, worin die Reize dieser Novelle bestünden. Diese Jugeudfrende das Blondhaar -..... diese