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Die hannoverschen Nationalliberalen : (Schluß). 2
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Die haimoverschett Nationalliberalen

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Ebenso wird es nur eine Frage der Zeit sein, daß der Bund der Landwirte wenn anders sich seine Verhältnisse weiter günstig gestalten seine Aktion über das wirtschaftliche Gebiet ausdehnt; indem er Stellung nimmt zu den politischen Fragen, verstärkt er seinen Einfluß und seine Macht in wirtschaft­lichen Dingen. Die Segnungen der Äo ut des-Politik werden ihm schvu jetzt nicht eutgaugeu sein.

Sehr viel versprachen sich die Nationalliberalen von derPolitik der Sammlung." Sie stürzten sich mit Heißhunger auf diese Phrase, indem sie darin die ersehnte Wahlparole zu finden vermeinten. Aber es zeigte sich bald, daß jede Partei das Wort in ihren: Interesse deutete und die Deutung der andern verwarf, und es zeigte vor allem niemand Neigung, sich um die Nationalliberaleu zu sammeln. Die letztern hofften vergeblich darauf, daß das Gelegenheitswort des Herrn von Miqnel ihnen zu ebenso glücklichen Erfolgen verhelfen werde, wie im Jahre 1887 das Kartell. Ihre Bundesgenossen von damals jedoch sind in ihrem eignen Besitzstände so gefährdet, daß sie selbst als hilfsbedürftig erscheinen.

Einer der Hanptvorwürfe, die den hannvverschen Nationalliberalen gemacht werden müssen, ist die Lässigkeit. Eine politische Partei, die sich ans der Höhe erhalten will, darf nicht feiern. Man vermehrt die Zahl seiner Anhänger nicht, man verliert die Einwirkung auf die Masfeu, wenn man sich unmittelbar nach Schluß der Wahlen znm Schlafe niederlegt und erst unmittelbar vor deu Neu­wahlen wieder aufwacht. Die Pflege der Vereinsthätigkeit wird von den hannvverschen Nationalliberalen von Jahr zu Jahr mehr vernachlässigt, ihre Fühlnng mit dem kleinen Manne ist von Jahr zu Jahr schwächer geworden. Ihre Organisation auf dem platten Lande ist dürftig. Was Wunder also, zumal bei ihrer verschwommnen Stellung zu den Mittelstands- und Handwerker­fragen, bei ihrem unklaren Hin- und Herschwanken in den wichtigsten Angelegen­heiten, bei der Bereitwilligkeit, mit der ihre Presse manche die Empfindlichkeit des Volkes reizenden Ungerechtigkeiten imRechtsstaate" beschönigt oder darüber hin­weggeht was Wunder, daß nicht allein auf dem Lande, sondern auch in den Städten sich viele ihrer ehemaligen Anhänger von ihnen abgewandt haben!

Immerhin werden sich die als schlechte Propheten erweisen, die dem National­liberalismus in dieser seiner frühern Hochburg ein schleuuiges Ende weissagen. So schnell, wie die Feinde der Partei meinen, löst sich eine politische Genossen­schaft nicht auf. Man muß erwägen, daß die mittlere Linie, auf der sich die Nationalliberalen im großen und ganzen zu bewegeil und zu halte» suchen, gerade in den Volksgruppen noch immer ihre Anhänger hat, die eine zahl­reiche, politisch ziemlich gleichgiltige und daher bei Wahlen von ihren Führern wohl zu benutzende Gefolgschaft hinter sich haben, und daß namentlich dort, wo der alte Gegensatz zwischen den Nationalliberalen und den Welsen das Feld beherrscht, oder dort, wo es gilt, die Gefahr eines sozialdemvkratischen Wahl­steges zu verhindern, sich die große Mehrzahl der reichstreuen Wühler aller-