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Bei solcher elenden Nahrung in normalen Jahren mnß ein Volk nicht nur geschwächt werden, sondern allmählich verhungern. Und wenn es die Mittel hätte, sich genügend mit Brot zu versehen, so dürfte auch in guten Erntejahren wenig Korn zur Ausfuhr übrig bleiben. Diese Ansfnhr ist also eine Folge nicht des Reichtums, sondern der Armut des Volkes. Man meint oft, der russische Bauer habe wenig zu essen, weil er zu viel trinke. Aber anch das ist nicht ganz richtig. Der Engländer z. B. vertrinkt weit mehr als der Russe, und wenn der russische Bauer genug zu essen hätte, so dürfte er sich den Branntwein, den er zu sich nimmt, ohne Schaden gönnen. Der russische Landbau ist eben in einer äußerst schlimmen Lage, woran der blühende Zustand der staatlichen Finanzen nichts ändert, woran er vielmehr zum Teil selbst schuld ist. Es ist ein böser Widerspruch, der darin liegt, daß hier der Minister von Erstarkung der Landwirtschaft und von blühenden Finanzen redet, und dort die durch Nahrungsmangel hervorgebrachte „physische Degeneration des russischen Volkes" beklagt wird.
L, von der Brüg gen
Idealistische Kaufleute. Wir habe» wiederholt auf die Nationalökonomen proudhonistischer Richtung hingewiesen, die den Fehler des bestehenden wirtschaftlichen Zustands weder im Privaten Kapital- und Grundbesitz, noch in der allzugroßen Ungleichheit der Einkommen, noch in der „anarchistischen" Produktion, noch in der relativen Übervölkerung und dem Bodenmangel sehen, sondern in der ihrer Ansicht nach falschen Organisation des Handels, die eine Menge von Schmarotzern schaffe und das Einkommen der übrigen Stände um 25 bis 50 Prozent verkürze. Wir haben bei solchen Gelegenheiten immer bemerkt, daß wir gegen solche einseitigen Auffassungen nichts einzuwenden hätten, wenn sie zu wirklichen Reformen in einem bestimmten Gebiet führten, und das thue ja diese Bewegung durch Förderung der Konsumvereine. Einer ihrer Vertreter nun, der Hamburger Kaufmcmn Max Rieck, der vorm Jahre seine Gedanken über den Gegenstand in dem Buche: „Deutscher Kaiser und deutsches Volksvermögen" ausgesprochen hat, veröffentlicht jetzt in demselben Verlage (Freund und Wittig in Leipzig) das Mannskript eines verstorbnen Freundes, der ebenfalls Kaufmann war: Der Handel auf altruistischer Grundlage von P. Bleicken. Bleicken ist ent- schiedner Gegner der Sozialdemokratie, obwohl er sie entschuldigt, und auch des Staatssozialismus, obwohl er, wie Rieck, die Hoffnung hegt, daß der Kaiser die von ihm geplante Reform fördern werde. Er hat einen förmlichen Plan ausgearbeitet, nach dem sich die Konsumenten allerorten als „Herren des Marktes" orgcmisiren, den Zwischenhandel durch Voykott totmachen und sich in einem Weltsyndikat zusammenschließen sollen, das sich in „vier Systeme" gliedern würde: West- und Mitteleuropa, das britische Weltreich, Amerika, Rußland (mit einem Hafen am Weltmeer, etwa am Persischen Golf, bemerkt er dazu). Das europäische System wird seinen Sitz natürlich in Hamburg haben, und Hamburg wird die Königin aller Weltsysteme sein. Bleicken legt die großartige Weltstellung dar, die Hamburg schon seit langem einnimmt, und erzählt, als er 1847 als Korrespondent eines großen Hanfes in Hnll gelebt habe, fei er von einem Lehrling gefragt worden, was größer sei, Hamburg oder Deutschland. Es gebe kein Land, kein Volk uud keine Stadt, deren Namen in fremden Ländern und Weltteilen einen so guten Klang habe. „Und nichts ist begreiflicher als dies. Alle andern Völker haben als Kolonisatoren ihre Fahnen in das Blut der Volker getaucht, die sie auf die unmenschlichste Weise bekämpft, auf die empörendste Weise unterdrückt und aus-