Maßgebliches und Unmaßgebliches
Ulixss rsclivius. In einem Feuilleton der Frankfurter Zeitung: „Was dünket euch um August Bungert?" habe ich gleich nach der ersten Aufführung in Dresden vor der naheliegenden Gefahr gewarnt, in dieser sehr durchsichtigen Moderichtung und reaktionären Gcschmacksablösuug nach „Cavalleria" und „Häusel und Gretel" etwa eine stolze „Renaissance" des „schönheitatmenden Idealismus'" zu wittern. Mit dieser „Renaissance" war es von Anfang an fanler Zauber — genau so wie bei dem Schöuthau-Koppcl-Ellfeldschen „Verslnstspiel" gleichen Namens! gereimter Mummenschanz statt echter Verskomödie, bloßer Kostümschwank, aber kein höheres Kulturftück! Ich mache nun kein Hehl daraus, daß ich jetzt nach abermaligem Hören des Werkes in Hamburg uud gewissenhafter Nachprüfung seiner fragwürdigen Eigenschaften eher noch um einige Grade schlechter über das Ganze habe denken lernen. Ich nannte Bungert damals — halb lobend, halb bekrittelnd — den Wildenbruch der Oper. Ich bedaure, das heute nicht mehr ganz aufrecht erhalten zu köuneu. August Bungert als „Dichterkomponist" (unter dieser Personalunion, einem mindestens vierteiligen „Cyklus" und einem „eignen Festspielhaus" thuts ja heutzutage bald keiner mehr!) scheint mir zum Musikdrama mir noch die Stellung eiuzuuehmen, wie sich z. B. unser Fnmilienblattwcseu zur großen deutschen Nationnllitteratur verhält: Natalie v. Eschstruth — nicht Wildeubruch.
Es gehört wohl der ganze Stumpfsinn nnsrer zerfahrenen modernen After- bildnng dazu, über die feudaleu Stilblüten einer „Natalie von Eschstrnth" einfach hinwegzulesen uud aus dieser Art von Sprache nicht das wahre Wesen des „Dichters" zu wittern. Ein Otto Ernst muß erst kommen, mit einem mühsam zusammengestellten Sündenregister aus den „Gesammelten Werken" den Finger drauf zu legen. Wann wird dieser Otto Ernst für Buugert erstehen und dem voreiligen „Verführer" in diese sogenannte „homerische Welt" hinein, Herrn M. Chvp, den einzig berechtigten sichern „Führer" zur bessern Erkcuutuis gegenüberstellen? Denn auch das ist ein Zeichen der Zeit, daß — wo Pygmäen zu „Kultnrerregern" gestempelt werden — mit einemmale auch Obskuranten der betreffenden Fachschreiberei, die kein Mensch bisher für voll genommen hat, plötzlich Oberwasser gewinnen und sich zu Autoritäten berufen fühlen. Das ist dauu die „Restaurationsepoche" der Chope und Schrattenhölzcr, die sich da mächtig zn rühren beginnen! Und was Wunder in einer solchen Periode der „Umwertung aller Werte," wo sich Leute Wie Pudor als Nietzsche geberdeu uud Buugerte sich wie Wagucr vorkommen: daß da auch Persiflagen wie die „Fromme Helene" als Oper, die das unterste zu oberst kehren, aus purer innerer Notwendigkeit entstehen müssen?
Zwar scheint schon die Dresdner Philologenversammlnng, der zu Ehren man die „Musiktragödie" dort ausführte, über diese besondre Sorte von Hellenismns gestützt zu haben, denn bald darnach las man im „Kuustwart" über jeue Festvor- stelluug: „Interessant war das allen Teilnehmern, denn es gab dabei zu lernen. Beispielsweise: daß Athene schon die Flöte und daß man zu ihrer Zeit schon moderne Militärtrvmpeten blies, sowie daß Penelopes Freier mittelalterliche Hellebarden hatten. Ganz besonders erfreulich war es den Versammelten, zu sehen, wie dezent das frühe griechische Altertum schon gewesen ist: schon zn Jlions Zeiten trugen die Avvllostatuen, nach dieser Aufführung, Feigenblätter!" (Auch die christliche Betform, mit gefalteten Händen, hätte der Versasser erwähnen können.) Doch das genügt nicht; es muß der Sache etwas energischer zu Leibe gegangen werden. Vor allem möchte ich hier jeden mit feinerm oder anch nur gesundem Sprachgefühl begabten Leser auffordern, sich einmal das „Szenarinm" ausschließlich auf seine Partizipialsatzbildungen hin anzusehen. Da heißt es z. B. S. 19: „Eumttos