Maßgebliches und Unmaßgebliches
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Gegenden noch gewerblicher, die landwirtschaftlichen noch ausschließlicher landwirtschaftlich wurden. Wir stützen uns im folgenden hauptsächlich auf die sehr dankenswerten Untersuchungen, die das Kaiserliche Statistische Amt kürzlich in der von ihm herausgegebnen Zeitschrift, den Vierteljahrsheften zur Statistik des deutschen Reichs (III 1897. Verlag von Pnttkammer und Mühlbrecht in Berlin), über die „Bevölkerungsvermehrung in den beiden letzten Volkszählungsperioden 1890/95 und 1885/90" gebracht hat.
Die Statistik gewinnt die Zahlen der Zu- und Abwanderungen, um die es sich hier handelt, nicht dnrch Zählung, sondern dnrch Berechnung. Gezählt werden die Geburten nnd die Sterbefälle, woraus sich die sogeuaunte „natürliche Volksvermehrung," der „Geburtenüberschuß" ergiebt. (Von einem Überschuß der Sterbe- sälle spricht man bei nns überhaupt nicht; er wird, wenn er ja vorkommt, als negativer Geburtenüberschuß ausgedrückt.) Ferner werden in Deutschland bekanntlich aller sttnf Jahre Volkszählungen vorgenommen, aus denen sich die sogenannte „thatsächliche Volksvermehrnng" ergiebt. Aus dieser uud dem Geburtenüberschuß lassen sich dann die Zahlen der Zu- oder Abwanderung für Reich, Staaten uud kleiuere Bezirke oder Ortschaften berechnen. Auch der Geburtenüberschuß, ebenso wie die Geburtshüufigkeit uud die Sterblichkeit, zeigt in der Periode 1890/95 gegenüber 1885/90 ein etwas verändertes Bild. Er betrug durchschnittlich jährlich 12.98 gegen 12,06, also 0,92 mehr, auf das 1000 der mittlern Bevölkerung (d. h. der halben Summe der durch die beiden Volkszählungen am Anfang und Ende eines Jahrfünfts ermittelten Bevölkernngszcchlenj, wobei eine Abnahme überhaupt nur eingetreten ist in den Staaten Württemberg und Schaumburg-Lippe uud iu den Gebietsteilen: Berlin, Regiernngsbezirk Marienwerder, Stettin, Stralsund, Magdeburg, Kreishauptmannschaft Zwickau, Neckarkreis, Jagst- kreis, Douaukreis, Landeskommissariat Konstanz, Fürstentum Birkenfeld uud Sigmaringen; in Schanmbnrg-Lippe war der Rückgang am größten, aber auch nur 1,69 auf das Tausend. Überall sonst ist der Geburtenüberschuß ein »venig gewachsen, am meisten, um 2,79 Prozent, im Regierungsbezirk Arnsberg. Dieses Wachstum entspringt aber weit überwiegend nicht aus einer Zunahme der Geburten, sondern daraus, daß neben den Geburten die Sterbefälle noch mehr abgenommen haben. Aber auch hier muß man sich hüten, ohne weiteres auf eine dauernde Erscheinung zu schließe». Durchweg hat sich der Geburteu- überschnß nur wenig nnd ziemlich gleichmäßig verändert; wo größere Veränderungen in der thatsächlichen Bevölkerungsvermehrung stattgefunden haben, sind sie daher auf Veränderungen in Verlust und Gewinn durch die Wanderungen zurückzuführen. Im Reiche hat die thatsächliche Bevölkernngsvermehrung in der Periode 1890/95 durchschnittlich jährlich auf das Tausend 11,21 betragen, iu der Periode 1895/90 dagegen nur 10,68. Das ist eine Steigerung von 0,63. Der Geburtenüberschuß betrug, wie wir sahen, in den beiden Perioden je 12,98 und 12.06, seine Zunahme also 0,92. Mithin hat 1890/95 ein Wandernngsverlnst von 1.77 und 1885/90 ein solcher von 1,38 stattgefunden, d. h. der Verlust hat sich um 0,39 gesteigert. Vou den Staaten und den großem Verwaltungsbezirken (Provinzen und Regierungsbezirke in Prenßen, Baiern und Hessen, Kreis- hanptmannschaften in Sachsen, Kreise in Württemberg, Landeskommissariate in Baden) haben 1890/95 im ganzen 23 einen Wanderungsgewinn uud 89 einen Wanderungsverlust aufzuweisen.
In der Periode 1885/90 gewannen 29 Staaten und Bezirke, also 6 mehr als 1890/95, dnrch die Wanderungen. Diese müssen wir uns vor allem etwas genaner Grcnzbotcn III 1897 72