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Heimatschutz
badischen Regierung bemühen, gelungen, die Erlaubnis zur Ausführung ihres Plans zu erlangen. Darf man erwarten, daß an entscheidender Stelle das Gefühl der Verantwortung auf die Dauer stark genug bleiben werde, um eine That abzuwehren, die getrost ein Verbrechen an der Menschheit genannt werden dürfte?
In geringerm Umfang ist ähnliches im Süden des Schwarzwaldes leider Gottes schon reichlich verübt worden. Auch gerade in der Nähe von Laufenburg hat kürzlich eine große Fabrik, deren Baulichkeiten vom rechten Rhcin- ufer her einen häßlichen Mißton in die Schönheit des Gesamtbildes bringen, die Erlaubnis erhalten, ein idyllisches Waldthal zu verderben: der Bach, der rasch über Felsgestein bergab fließend auch einen sehr anmutigen Wasserfall bildet, soll eine Stunde oberhalb abgeleitet und das Thal trocken gelegt werden. Ein Laufenburger Bürger erzählte, daß namentlich schweizerische Unternehmer, denen durch die Zollerhöhung der Absatz in Dentschlcmd erschwert sei, sich auf der badischen Rheinseite anzukaufen versuchen, um dort Fabriken anzulegen und den Zoll zu sparen. Und die guten deutschen Gemeinden bejubeln dies ihnen nahende Glück, sie thun alles, bieten sogar Steuererlaß auf mehrere Jahre an, um nur eine Fabrik in ihre Nähe zu bekommen. „Dann wollen die Mädchen und Burschen, erzählte er weiter, bei niemandem mehr Magd und Knecht sein, lernen die Liederlichkeit und verprassen abends ihr Geld, das sie tagsüber in der Fabrik verdient haben. Aber Fremdenbesuch, der Geld brächte, giebt es bei uns nicht viel, und so wollen die Leute Fabriken haben." Natürlich! um doch auch mitzumachen und ihr Teil von der allgemeinen modernen Glückseligkeit abzubekommen, die ihnen so lockend nahe vor die Augen gerückt ist, seit sie die Eisenbahn haben! Die Eisenbahn, die die Begehrlichkeit geweckt, die Einfachheit und Genügsamkeit der ländlichen Zustünde zerstört, in die Solidität des kleinen Geschäftsverkehrs das Gift städtischer Schwindelkonknrrenz getragen hat!
Wie es niemand einfallen kann, von einer vernünftigen, höhere Rücksichten achtenden Nutzung der Bodenerzeugnisse und Naturkräfte abhalten zu wollen, so könnte auch nur ein Narr fordern, die Menschheit oder ein einzelner Staat solle auf Eisenbahnen, auf Elektrizität und Fabriken verzichten. Aber zwischen Gebrauchen und Gebrauchen ist ein Unterschied. Es kommt alles auf das Maß an, das man walten läßt. Den Wald ausroden bedeutet, wie Niehl einmal ausführt, bis zu einer gewissen Grenze Fortschritt und Kultur; über diese Grenze hinaus bedeutet es Barbarei, und zur Kultur wird umgekehrt das Schonen und Ansäen. Mit dem vermeintlich absoluten Fortschreiten, das die sogenannten Errungenschaften der Neuzeit darstellen sollen, steht es gerade so zweischneidig. Wer die Gesamtlage überblickt, dem erscheint der Wendepunkt längst überschritten, der Überschuß an negativen Ergebnissen, wie er in unsrer sozialen Entwicklung hervortritt, riesengroß. Nur wessen Augen stumpf geworden sind, weil er zu unverwandt in die eine große Blendlaterne hinein-