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Litteratur
übrig, und diese Art von Gleichheit wäre wohl in hundert Jahren zu erreichen. Jedenfalls will sie versuchen, der Gesellschaft diese Gleichheit zu geben, indem sie ihr ein Weib zeigt, das es zu etwas bringen wird trotz der Nachteile, die ihm die Gesellschaft bereitet. Sie unterzieht sich nun sieben Jahre lang in Paris den ernstlichsten und mühevollsten Studien, während ihre Gesundheit von Woche zu Woche schwächer wird. Von hier nn enthält das Werk mancherlei beachtenswerte Mitteilungen über Malerei und originelle Urteile über Richtungen und einzelne Werke der ältern Kunst, und dadurch wird es, wie die Verfasserin vorausgesetzt hat, alle, die ähnliche Interessen verfolgen, anziehen und fesseln. Nach einer Bemerkung des Übersetzers im Vorworte scheint es, als könnte auch die Frauenbewegung davon Nutzen haben. Ja; aber gewiß nicht die vom linken Flügel, wenigstens wenn man das Vnch genau lesen nud richtig verstehen will! Denn Maria Bashkirtseff war außer der Reihe begabt, energisch und durch äußere Mittel gefordert, wie es nicht leicht wieder vorkommen wird. Denn wer, wie sie, in seiner Wohnung Künstlerdiners und offne Abende abhält, während er übrigens lebt und schafft, wie die fleißigste der armen Atelierschülerinnen mit der zweifelhasten Toilette, wer Tauseudfrcintbillets an die Armen giebt, weil er glücklich ist, daß er ein Bildchen für fünfzig Franken verkauft hat, der kann doch kaum ein Exempel sein für solche, die sich, ohne das alles zu haben, einen Beruf suchen, der sie ernähren soll. Was aber hat dieses arme, begabte, vom Ehrgeiz getriebne Geschöpf nach soviel Jahren erreicht? Rechnerisch ausgedrückt, d. h. wenn man nnr das in Anschlag bringt, was allgemein gilt, eine einzige „ehrenvolle Erwähnung" im Salon, nicht einmal eine „dritte" Medaille, auf die sie noch gehofft hatte! Das weitere sehen die sich dafür interessirenden Leserinnen aus den Betrachtungen, die Maria Bashkirtseff selbst in genügender Menge anstellt. Was sie trotz aller unsäglichen Mühe nicht leistet, das leisten die Männer um sie her wie etwas selbstverständliches, weil es ihr Beruf ist, und meint sie endlich etwas erhebliches geleistet zu haben, so heißt es, ihr Lehrer habe ihr dabei geholfen. Und sie, die nur noch Männer verehrt und mit ihnen verkehrt, wenn sie etwas bedeutendes leisten, mögen sie übrigens gesellschaftlich sein, was sie wollen, sie gesteht sich doch manchmal im stillen, daß sie um das Glück einer wirklichen Liebe alles, was sie seither getrieben, hätte hingeben mögen. Das eine ist ihr nicht geworden, und was sie dafür von andern bekommen hat, befriedigt sie nicht. „Ich hatte ganz Recht: man kann nicht leben, wenn mau wie ich ist, und wenn die Umstände wie die sind, die mein Leben gebildet haben." Damit legen wir das interessante Buch aus der Hand. Das weniger sympathische daran, das russisch-srmizösische, Schwärmerei für Gambetta und Revanche, für die königliche Gestalt des Don Carlos, für Linse Michel, nud andres, was mich seine Liebhaber finden wird, haben wir anßer Betracht gelassen.
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Frau H, v. L-, geb, U, Leider können wir die Sache nicht in die Hand nehmen, wir bitten um freundliche Angabc der Ndresse, Die Redaktion
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr, Wilh, Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Mcirquart in Leipzig