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Maßgebliches und Unmaßgebliches
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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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thatsächlich die Regierung der alten Apothekereinrichtung ein Ende gemacht hat und nur noch Personalkonzessioneu ausgiebt.

Meine Zahlen können bei einem Häufchen von Berufsgeuosseu, das sich am 1- Juli 1894 auf 11091 belief und mit rund 11000 angesetzt werden mag, uicht mit dengroßen Zahlen" des Statistikers verglichen werden. Sie kranken außer­dem an denselben, wenn nicht an größern Fehlern wie die allgemeinen Statistiken. So gut mich die pharmazeutische Presse, die meine Quelle gewesen ist, bedient wird, so kann ihre Berichterstattung doch nicht als völlig zuverlässig angesehen werden. Um die Hiuterbliebuen zu schonen und aus andern Gründen wird ein Selbstmord oft verheimlicht.

Auch ist die Thatsache des Selbstmords oft nicht objektiv festzustellen; die Zeugen der That oder die Personen, die die Leiche fanden, können ein Interesse an der Verschleierung der Sache haben, oder im Interesse des Toten die Todes­ursache als zufällig, fahrlässig oder dergleichen bezeichnen. Endlich steht auch der Begriff des Selbstmords nicht unbedingt fest. Der Morphinist, der Leichtsinnige, der seinen Leib zu Grunde richtet, ist im Grunde ein Selbstmörder, nnd den­selben Vorwurf hätte sich trotz alles Helden- und Edelmuts Petteukofer gefallen lassen müssen, weun ihm das Experiment, das er zum Beweise der Unschädlichkeit der Cholerabazillen an seinem eignen Körper anstellte, den Tod gebracht Hütte. Diese Verhältnisse werden die Zahl der statistisch verarbeiteten Selbstmorde wie im deutschen Reich überhaupt, so in meinen Aufzeichnungen im Vergleich zu den that­sächlich vorgekvmmnen «»zweifelhaft iu ihrem Werte herunterdrücken, ja sie würden bei meinen Zahlen vielleicht noch mehr zu berücksichtigen sein, wenn nicht die immer geschäftige böse Nachrede Verschleierungsversnche ausgliche.

Iu Deutschland giebt es bis jetzt noch keine genügende Selbstmordstatistik. Aber nach Erhebungen mehr privater Natur (ich folge den Angaben von Georg v. Mayr in dem Handwörterbuch der Staatswissenschaften) kamen in den Jahren 1381 bis 1393 (am wenigsten im Jahre 1381, nämlich 8987. am meisten im Jahre 1893, nämlich 10 099, und auf eine Million berechnet im Jahre 1868 193, im Jahre 1883 223) im Durchschnitt der genannten dreizehn Beobnchtungsjahre auf eine Million Einwohner 210 Fälle vor. Es ist das eine Regelmäßigkeit, die verblüffen muß, und die die oft erzählte Fabel von einer Zunahme der Selbstmorde in Deutsch­land Lügen straft.

Im deutschen Apothekerstande kamen nun in den Jahren 1833 bis 1396 vor:

1883: 2 1884: 2 188S: 0 188»: 2 1887: 2 1888: 7 1889: 0 1390: 2 1801: 2 1892: 1 1893: 2 1894: 4 1895: 5 139U: 1

zusammen 32 Selbstmorde, also im Durchschnitt 2,28 Fälle auf 11000 oder 205,2 auf eine Million Menschen, d. h. weniger als die Zahlen angeben.

In der Monatsstatistik zeigen die allgemeinen Beobachtungeu eine auffällige Häufigkeit in den Monaten April bis Juli, uicht, wie man annehmen sollte und häusig sagen hört, in den dunkeln Herbst- und Wintermonateu. Diesen Beobach­tungen sprechen meine Zahlen Hohn. Ich habe unter dreißig Fällen (für zwei fehleu die Angaben) verzeichnet siir:

Januar: 3 Februar: 2 März: 5 April: 0 Mai: 0 Juni: 2 Juli: 4 August: 1 September: 2 Oktober: 3 November: 3 Dezember: S

Als Thatort konnte von vornherein das Land nicht in Frage kommen. In den meisten Fällen dürsten die Räume der Apotheke gewählt worden sein, zweimal