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Dunkler Drang nach einem guten Rechtsweg. 4 :
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Dunkler Drang nach einem guten Rechtsweg

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daß es bei dem unleugbaren und uuunterbrvchnen Wechsel aller körperlichen Atome ein beharrendes Ich im lebendigen Menschen, ein den Körper mit Rückerinuerung seines Lebenslanfs beherrschendes stetiges Selbstbewußtsein giebt. Wenn sich trotzdem schon geraume Zeit und ohne Würdigung des Widersinnigen der Lehre unter den Professoren Materialisten von reinstem Wasser befinden, so ist die Befürchtung gewiß berechtigt, daß im Lanfe der Zeit die Volks­massen, die noch weniger kritisch angelegt sind als die Professoren, wenigstens vorübergehend einer Weltanschauung huldigen werden, die volle und aus­nahmslose Gerechtigkeit verspricht. Steht doch die Vernunftwidrigkeit von Weltanschanungen ihrer Verbreitung uuter den Menschen weit weniger im Wege, als gewöhnlich angenommen wird. Der Drang nach Gerechtigkeit ist so überwältigend, daß selbst ein so einsichtiger Mann wie Wilhelm Jorda» dem Wahn Ausdruck giebt, iu jedem lebenden Wesen gleiche sich die Summe von Freud und Leid im Laufe seines irdischen Daseins aus. So ist wohl auch die abentencrliche Idee der Seelenwanderung hauptsächlich dem Bedürfnis entsprungen, zwischen Sittlichkeit uud irdischer Glückseligkeit ein gerechtes Ver­hältnis herzustellen. Im Buddhismus hat jeder Einzelne sein Glück auf eine gute, sein Mißgeschick auf eine böse That in seinem zeitigen oder frühern Leben zurückzuführen. Gerade aber deshalb, weil die Auschanung einer mechanischen Weltorduung dem Gerechtigkeitsgefühl der Menschen Genüge leistet, mnß ihr so eindringlich als möglich entgegengetreten werden. Um den Preis der Willensfreiheit darf kein lebensfähiges Volk die Gerechtigkeit erkaufen wollen. Mit Begeisterung verteidigen die Gelehrten die Willensnnfreiheit, mit Hohn sprechen sie von dem elenden Haufen, der sich für seine Handlungen verant­wortlich hält. Wie können aber die Herren bei ihren Anschauungen der eiteln Selbsttäuschung verfallen, sich für eine Meinung zu begeistern, die ihuen mit Naturnotwendigkeit anfgedräugt war? wie können sie andre Lente wegen eines Irrtums verspotten, den diese mit Notwendigkeit für Wahrheit halten mußten? Wie können die Herren überhaupt von einer gute» oder böseu That sprechen, wenn jede Handlung dem unfreien Willen eutspriugt und naturnotwendig ist? In dem willensnnfreien Menschen giebt es kein Streben, sondern nur Triebe. In einer materialistischen Weltauschanung, die das Ich iu Atome auflöst, giebt es keinen Tod, aber mich kein Leben, sondern nnr maschinenartiges Triebwerk. Nnr das über die Anffassnngsfähigkeit des Verstandes hinausgehende Wnnder der Willensfreiheit, die selbstschöpferische freie That ermöglicht die Unter­scheidung zwischen Bösem und Gutem, ermöglicht die Sünde. Eine tiefsinnige Überlieferung erzählt, daß es dem Menschen, um ihn vor Sünde zu bewahren, verboten gewesen fei, von dem Baum der Erkenntnis zn essen. Nachdem er aber einmal davon gegessen hat, kann ihm eine gleißnerische Dialektik zwar die Erkenntnis absprechen, aber das Paradies wird sie ihm nicht wiedergebe». Einseitiges Denken hat alles Unerklärbare des tierischen Instinkts weg-