Die Memoiren von Paul Barras
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seine Stellung. Nun konnte Siöyes Bernadotte nicht leiden — „falsch und höflich wie ein Bearner," sagte er immer von ihm — und drängte ihn aus dem Ministerium (warum gab das Barras zu? wenn man seinen Bericht liest, muß man sagen, daß er sich mindestens einfältig benahm), und gleich darauf, ganz kurz vor Bonapartes Ankunft in Frsjus, hatte Masssmi über die Österreicher und Russen, uud Brune über die Engländer gesiegt. Barras Lage konnte in diesem Augenblicke nicht schlimmer sein.
Hier beginnt der vierte Band (Konsulat, Kaiserreich, Restauration). Nach Beruadottes Entlassung hat Barras gegen Bonaparte verspielt. Seine frühere Energie ist nicht mehr zu bemerken. Er ist schlaff und scheint alles abwarten zu wollen. Ob er wirklich diese Resignation, die er sich zuschreibt, damals schon hatte? Oder ist es wieder eine Nttckspiegelung seiner Phantasie? Als ob ihn das nichts mehr anginge, berichtet er nun mit vielen Scherzen und Witzworten die kleinen Ereignisse, die den Staatsstreich des ersten Konsuls einleiten. Bonaparte spricht offen von der Notwendigkeit, die Staatsform zu ändern; man müsse im Innern sicher sein. Auch äußerlich sei iu seiner Abwesenheit alles verloren gegangen. Wir wissen, daß Siöyes ihm angehört, und daß Talleyrcmd und Fouchu seine Werkzeuge sind. Er nennt Barras einen, der nur an seine Republik denkt, eine Reliquie. Der wichtigste ist offenbar für ihn Bernadotte, durch dessen Sekretär nun Barras alle Nachrichten frisch bekommt. Bernadottes Frau, seine „kleine Spionin," ist die Schwester von Joseph Bonaparte, die ganze Familie Bonaparte umgiebt ihn wie mit einem Netz, um ihn für den Bruder, den „General" schlechthin, zu gewinnen. Als Bvnaparte ankam, hätte es nach Barras Auffassung das Direktorium in der Hand gehabt, ihn, wenn Sivhes gewollt hätte, zu vernichten. Er hatte ohne Erlaubnis seinen Posten verlassen. Über die Greuel, die er mit fortwährendem Erschießen und Kopfabschueiden angerichtet hatte, waren ganze Stöße von Nachrichten lange vor ihm eingetroffen. Seine Parteigänger richteten ihm ein Essen an; Bernadvtte lehnte die Ausforderung dazu mit dem Scherzwort ab, er wolle nicht mit einem Pestkranken essen (Vonaparte hatte die Quarantäne nicht inne gehalten). Es finden nun Unterredungen zwischen beiden Männern statt. Bernadotte bleibt zunächst der Republik treu; er und Moreau, die sich früher kaum gesehen haben, schwören sich einen Eid in die.Hand. Barras ladet beide zu Tische und fragt sich dabei im stillen, wer zuerst seinen Schwur brechen werde. Bonaparte findet sich nun mit dem sich bildenden Anhange bei Gast- mühlern und ähnlichen Vereinigungen zusammen. Er umgicbt sich mit Zivilisten und Gelehrten, um sich gegen die Militärs, die keine Gelehrten sind, ein Gegengewicht zu geben, während er die Nichtmilitärs durch seine Charge beherrscht. Bald treffen wir alle, auch Moreau und Bernadotte.
Bernadotte entschließt sich am schwersten und macht noch eine Zeit lang Versuche, mit Hilfe des Rats der Fünfhundert und des Rats der Alten die
Grenzboten II 1897 24