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Maßgebliches und Unmaßgebliches
Siedlungsgenossenschaften. Den Freilandgedanken Herzkas spinnt vr.Frauz Oppenheim weiter, mit zwei Abänderungen. Die erste ist in dem Titel eines Schriftchens angedeutet, das er vor eiu paar Jahren herausgegeben hat: Freiland in Deutschland; die zweite besteht darin, daß er das deutsche Genossenschastsgesetz vom 1. Mai 1889 für deu Hebel hält, mit dem die bestehende Wirtschaftsordnung aus den Angeln gehoben und durch eine bessere ersetzt werden könnte. Wie er sich das denkt, führt er in einem 638 Seiten starken Buche aus: Die Siedlungsgenossenschaft. Versuch einer positiven Überwindung des Kommnnismns durch Losung des Genosseuschaftsprvblems und der Agrarfrage. (Leipzig, Dnncker und Humblvt, 1896.) Ein gut Stück Bodeu haben wir mit ihm gemeinsam. Wie wir, läßt er die von Marx an der kapitalistischen Wirtschaftsordnung geübte Kritik in vollem Umfange gelten, und namentlich erkennt er die innern Widersprüche dieser Ordnung an. Besonders hebt er hervor, daß das Interesse jedes Warenverkäufers im Widerspruch steht mit dem aller andern Verkäufer derselben Ware, ja sogar mit seinem eignen, sodaß er unvernünftig zn handeln, mit sehenden Angen den Ast, auf dem er sitzt, abzusägen gezwungen ist. Denn wenn der Preis seiner Ware und damit seine Profitrate fällt, so wäre es doch das allein richtige, durch Einschränkung der Produktion das Angebot zu vermindern und so den Preis wieder zu heben. Der einzelne Fabrikant oder Kaufmann aber sieht sich, um eiuer Ein- kommenverminderung vorzubeugen, zur Erweiterung der Produktion gezwungen, svdaß die Verminderung der Profitrate durch die größere Menge der erzielten Einzelprofite ausgewogen wird; er sieht sich dazu gezwuugeu, obwohl er voraussieht, daß es alle seine Konkurrenten ebenso machen werden, und daß das Überangebot einen Krach herbeiführen wird. Man weiß ja, wie gegen diesen Widersinn dnrch Ringe angekämpft wird, man weiß aber auch, wie eng begrenzt die Wirkung dieser Ringe ist, und welche erbitterte Feindschaft sich gegen sie erhebt. Wir sind heute, schreibt Oppenheimer, „in der wirtschaftlichen Entwicklung so weit gediehen, daß jede Verbesserung der Technik und Arbeitsteilung beinahe ein internationales Unglück bedeutet." Dieser Zustand, bemerkt er mit Recht, sei gleich unerträglich für den Verstand wie für das Gemüt. Wie wir, sieht Oppenheimer in der Grundbesitzverteilung, in der Aussperrung der großen Masse des Volkes von der Bodenbenutzung die Ursache aller sozialen Übel, und in dem Zwange zum kapitalistischen Betrieb die Wurzel der sogeuaunten Not der Landwirtschaft. Wie wir verwirft er alle vom Bunde der Landwirte vorgeschlagnen Mittel, die das Grnndübel unberührt lassen, als teils unwirksam, teils schädlich, insbesondre die Schutzzölle und das Getreideverkaufsmonopol. Von diesem sagt er mit Fraas, es gehöre samt den Normalpreisen und Moratorien ins Antiquitätenkabinett der europäischen Wirtschaftspolizei. Wie wir, erkennt er an, daß die gewaltsame Verdrängung des Bauern in den einen Ländern, seine gewaltsame Unterjochung in den andern die heutige kapitalistische Ordnung begründet uud eingeleitet hat. Bekanntlich haben Dühring und sein Hanswurst Ahlwardt ans diese Thatsache ihre Erlosungstheorie begründet. Wenn wir nnn auch das Phantastische, was Dühring daran gehängt hat, und wozu auch der Antisemitismus gehört, verwerfen, so läßt sich doch die Thatsache selbst nicht aus der Welt schaffen, nnd wir finden mit Oppenheimer eine Fvlgewidrigleit darin, daß Engels die Dühringsche Lehre vom Gewnlt- eigentnin lächerlich macht, eine um so größere Folgewidrigkeit, als niemand klarer als Marx die Thatsache nachgewiesen hat (in dem Abschnitt über die ursprüngliche Akkumulation des Kapitals). Wir haben schon oft den auffälligen Umstand hervorgehoben, daß die Theoretiker der Sozialdemokratie gerade das Hauptverdienst ihres Meisters übersehen oder totschweigen uud sich in die Wert- uud Mehrwertlehre