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Maßgebliches und Unmaßgebliches
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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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demokratie sogar in gebildeten Kreisen zugiebt oder doch nicht scharf zurückweist. Freilich wird man dann auch Manns genug sein müssen, offen und ehrlich, der Verantwortlichen Staatsgewalt beizustehen, wenn sie der Verwirrung der Geister da, wo sie staatsgefährlich wird, entgegenzutreten versucht. Die Popularität bei den schon verworrenen Geistern zn verlieren, dieses Risiko mnß man auf sich uehmen.

Umständlichkeit in der Rechtspflege. Zu diesem Thema haben die Grenzboten schon manchen lehrreichen Beitrag gebracht; sie haben ans manchen alten Zopf anfmerksmn gemacht und darauf hinzuwirken gesucht, daß durch Verminderung des Schreibwerks und durch Weglassuug alles überflüssigen Beiwerks in den Schrift­stücken der Geschäftsgang vereinfacht und beschleunigt werde, was übrigens auch durch Benutzung des Telephons, der Schreibmaschine, der Stenographie erreicht werden könnte. Aber nur wenig ist in dieser Hinsicht bisher erreicht worden. Wenn auch anzuerkennen ist, daß man sich jetzt an vielen Gerichten bestrebt, reineres Deutsch zu schreiben als früher und überflüssige Floskeln zu vermeiden, so sind doch Telephon und Schreibmaschine zwei moderne Erfindungen, die die Gerichte und die staatlichen Verwaltungsbehörden meist noch ignoriren. Wenigstens in Sachsen läßt der Staat in den Gerichtsgebänden kein Telephon anbringen, sondern gestattet nur den Anwälten die Anbringung, Benutzung nnd natürlich nnch Bezahlung. Schreibmaschinen aber dürfen sich die Kopisten nur auf ihre Kosten uud auf ihr eignes Risiko anschaffen, wenn sie glaube», durch vermehrte Arbeitsleistung die Anschaffnngskostcn wieder zu tilgen. Daß mit der Schreibmaschine viel schneller gearbeitet wird, daß dadurch die Ausfertigungen dem Publikum rascher zugänglich gemacht nnd dnrch die Ersparnng von Arbeitskräften die durch die Anschaffung von Schreibmaschinen entstehenden Kosten bald wieder eingebracht werden, scheint nicht beachtet zu werden.

Aber auch mit der Vereinfachung des Schreibwerks hat es bei manchen Ge­richten noch gute Wege. Zum Beleg mag folgender Vorfall aus den letzten Tagen dienen. Eine Aktiengesellschaft in Sachsen führte bei einem Gericht des Großherzog­tums Weimar einen Zivilprozeß, in dessen Verlauf zur Erlangnng vorläufiger Boll- streckbarkeit eine Sicherheit von hundert Mark einzusenden war. Nach Beendigung des Prozesses war diese Sicherheit an die klagende Aktiengesellschaft zurückzuzahlen. Dazu wnrde folgender Weg gewählt. Das weimarische Gericht verfaßte eine Requisition, einen großen Bogen lang, an das Amtsgericht des Sitzes der Aktien­gesellschaft und ersuchte um Auszahlung nn die vertretungsberechtigten Vorstands­mitglieder. Gleichzeitig wurden die hundert Mark mit Postanweisnng an das Amtsgericht geschickt und hier zum Depositumvereinnahmt." Das Amtsgericht be­raumte nnn Termin zur Auszahlung an nnd lud dazu die Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft vor. Ju dem Termin vor dem Amtsrichter wurde durch den Gerichtsschrciber wieder ein eine Aktenscite füllendes Protokoll aufgenommen nnd darauf iu der Depositenkasse dnrch Rendant und Kontrolleur die Auszahlungbe­wirkt." Es wurden also bemüht ein Amtsrichter, ein Gerichtsschreiber, zwei Knssen- beamte des Gerichts, weiter die Post dnrch Rücksendung der Aktcu und schließlich die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft, die durch die Wahrnehmung des Termins eine Stunde Zeit versäumten.

Warum so fragt man sich vergebens wählte das weimarische Gericht, dem die Firma, die Adresse der Aktiengesellschaft und die Namen der Vorstands­mitglieder bekannt waren, nicht den einfachern Weg der direkten Übersendung dnrch Postanweisnng mit dem Vermerk, daß der Postschein als Quittung diene?