Maßgebliches und Unmaßgebliches
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Als Viktvr in die Zotzelsgasse einbog, stand eine dunkle Gestalt nm Eingänge der Straße und grüßte militärisch. Viktvr fügte sich fröhlich dem Lnudesbrauch und rief: Grüß Gott, Herr Belloff! — Gehorsamer Diener, Herr Hofgartennssistent!
(Fortsetzung folgt)
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Ein großer Moment. Nachdem über das wirklich komische Angst- und Verlegenheitsspiel, das die europäischen Großmächte aufführen, lange genug gelacht worden ist, wäre es wohl an der Zeit, daß man in der Öffentlichkeit die furchtbare Lage herzhaft erörterte, die sich unter diesem Spiele verbirgt. Jedermann weiß, daß die Notwendigkeit, über Koustantinvvcl zn verfügen, die ungeheure europäische Jnteressenspanmmg lösen würde, die in den Millionenheeren der Großmächte und in ihren Kriegsslotteu zur Erscheinung kommt, daß vor der Verantwortung, einen Weltkrieg mit seinen unberechenbaren Wirkungen herbeizuführen, alle Staatsmänner znrückbeben, und daß eben darnm weder Rußland noch England nach dem, was beide begehren, zn greifen wagt, obwohl sich seit anderthalb Jahren zuerst jenem, dann diesem die schönsten Gelegenheiten zu Annexionen dargeboten haben. Der schlichte Verstand des Nichtdiplomaten würde vielleicht einen andern Weg eingeschlagen haben, die Katastrophe hinmiszuschiebc»; er würde es am einfachsten gefunden haben, nicht allein den Kretern ihren Willen zn lasse», sondern auch den Griechen den bis jetzt vorenthaltenen Rest des ihnen im Berliner Vertrag zugesprochueu Gebiets, den sie jetzt gewaltsam an sich zu reißen versuchen, vollends einzuräumen; damit würde man sich wahrscheinlich eine Frist von ein paar Jahren erkauft haben. Aber es scheint, daß die Vorsehung die Griechen mit einem an Wahnsinn streifenden Fanatismus erfüllt uud die Großmächte kopflos gemacht hat, um die Katastrophe schon iu der uiichsteu Zukunft herbeizuführen. Vermieden kann sie auf keinen Fall werden. Wenn irgend ein Abschnitt im Völkerleben die Bezeichnung eines unaufhaltsamen natürlichen Prozesses verdient, so ist es die Auflösung der enropäischen Türkei. Vor zweihundertvierzehn Jahren feierte die Christenheit ein Dankfest, weil Gott durch den Polenkönig Wien vor den Türken errettet hatte, nnd heute zählt die europäische Türkei noch sechs Millionen Einwohner, von denen 1362000 Türken, die übrigen geborne Rebellen sind. Keine Diplvmatenknust vermag ans die Dauer die Herrschaft eines Volkes in einem Lande aufrecht zu erhalten, ans dem es schwindet. So könnten also diese Ostern wohl der Wendepunkt für die Geschicke Europas werden. Möge der große Moment bei uns lein kleines Geschlecht finden! Zunächst handelt es sich darum, ob Kvustantinopel — die Griechen kommen dafür nicht in Betracht — Slawen oder Germanen gehören soll, nnd welchen Germanen.
Vereint marschiren, getrennt schlagen. Ein sozial-strategisches Problem setzt neuerdings die Federn mehr und mehr in Bewegung, die Frage: ist es für die die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung anerkennenden Freunde sozialer