Deutsche Kolonisation
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bekümmert, sagt Drohsen, ob der oasus delli, den sie geltend macht, ob der Schmuggelhandel mit dem spanischen Amerika dem Recht gemäß ist oder nicht, in dem vollen Gefühl ihrer schwellenden Kraft, mit dem Instinkt, noch nicht den Rang unter den Mächten zu haben, der ihr zu gebühren scheint, hat sie sich in diesen Krieg gegen Spanien gestürzt, den man in Paris als eine Bravade gegen Frankreich auffaßt; und sie drängt fort und fort, auch gegen Frankreich den Krieg zu erklären, um dessen im vollen Aufschwung begriffne Industrie, dessen wachsenden Handel, dessen neu entstandne Marine beizeiten zn vernichten." Frankreich hatte erklärt, daß es neutral bleiben, aber englische Eroberungen auf dem Festlande von Amerika nicht dulden würde. Dennoch lief 1740 eine große englische Flotte mit 180000 Matrosen und 12000 Soldaten aus, um in Amerika trotz Frankreichs Einspruch zu erobern. Die Stellung der übrigen Mächte war noch zweifelhaft. Als dann Kaiser Karl VI. starb, schien ein antipragmatisches Bündnis zwischen Frankreich, Baiern und Sachsen gegen Osterreich sehr wahrscheinlich. Seit der Personalunion Sachsens mit Polen war aber der maßgebende Gedanke der sächsischen Politik der Erwerb von Schlesien, um die unmittelbare Verbindung der beiden Lande zu gewinnen. Die Verbindung hätte Preußen völlig und für immer gelähmt.
In dieser Lage bot König Friedrich in Wien ein Schutz- und Trntzbündnis und alle seine Mich-bergischen Ansprüche für Schlesien; als das Anerbieten ausgeschlagen wurde, da faßte er mit sicherm Griffe das für Preußens Zukunft notwendige Land, ohne Frankreich einen Schritt weiter entgegenzukommen, als es sein eignes Interesse gebot. Mit dem Einmarsch Friedrichs in Schlesien war ein neues Zeitalter für Deutschland angebrochen: Preußeu schützte von nun an selbständig Deutschland gegen Habsburg.
Wir hoffen, daß die deutschen Interessen bei künftigen Verändernngen der politischen Lage mit gleicher Entschlossenheit und in gleich scharfer Auffassung der Machtverhältnisse wahrgenommen werden. Wo es gilt, sich zu entscheiden zwischen der Wahrung des Friedens und der Sicherung der Zukunft des deutschen Volkes, ist für uns die Wahl nicht zweifelhaft.
Grenzboten II 1897
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