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Die Memoiren von Paul Barras
wenigstens, und Europa, befreit von dem Alp der heroischen Kerkermeisterin, die es in Fesseln hält, durchzuckt Hoffnung. Irrtum! Das Unglück hat das glühende Hirn verschont, dem die große Armee wie Lava entströmte. Die große Armee ist der Gedanke, die Seele Napoleons, und Napoleon ist nicht tot. Er kommt zurück, er bringt einen Funken des heiligen Feuers mit sich, das die unüberwindlichen Legionen entflammte usw. Mit dem einzigen Wort: das Vaterland ist in Gefahr, hatte die Revolution schon eben solche Wunder vollbracht, die nicht weniger staunenswert siud. Ein Zauberwort, das auf den Flügeln der Marseillaise dahinflog, ein flammendes Schwert, das die vierzehn Armeen der Republik vor sich hcrtrngen, und bei dessen Anblick die feindlichen Armeen wie Schnee vor der Sonne schmolzen. Und wenn man mich jetzt fragt, warnm ich die Revolution und Napoleon liebe und bewundre, so werde ich unter andern Gründen, die ich habe, anch diesen anführen: sie haben einer philosophischen Doktrin, die mir teuer ist, den Dieust erwiesen, durch unsterbliche Beispiele die heute erkannte Allmacht der Idee zu beweisen. Doch wir wollen hier inne halten mit Ausziehen. Wir nannten das lehrreich. Was sollen wir daraus lernen? Bei uns bekreuzen sich die Historiker, wenn auf ihren Versammlunge» jemand den Gedanken wagt, die Geschichte habe auch die Aufgabe, patriotisch zu wirken, uud Max Lehmmin meint der Wahrheit einen Dienst zu thun, wenn er den großen König als Friedensstörer hernuterznreißen versucht! Welche Wissenschaft die bessre ist, haben wir nicht zu entscheiden. Welche Gesinnung uns lieber ist, brauchen wir wohl nicht erst zu sageu.
Als Barras nach mehr als einem Jahre im Frühjahr 1793 ans dem Süden wieder in Paris eintrifft, findet er doch viel verändert. „So lange wir in Toulon waren, waren wir nnch im Geiste von Paris einigermaßen entfernt. Was wir hörten, waren Thatsachen, an denen wir leider nichts ändern konnten. Trotz schlimmer Nachrichten ans Paris hatten wir keine Vorstellung davon, wie schlimm es wirklich war. Der Tvtenkarren kam nicht znr Ruhe, die Guillotine wurde nicht trocken von Blut. Es fielen die Generale Lnckner, Custine nsw., endlich eine Masse Girondisten. Allen diesen Opfern voran die Königin." „Ich war schon zwei Tage in Paris, ganz betäubt von allem, was ich sah uud hörte, und fragte mich: wohin bin ich da geraten? Wenn ich jemand fragte, so erhielt ich ausweichende Antworten." Er hört, daß der Wohlfahrtsausschuß sich wundert, daß er sich ihm noch nicht vorgestellt, Bericht erstattet und gehuldigt hat. Er geht hin. Sie sitzen, Nobespierre, Carnot und die andern, sprechen kein Wort der Anerkennung, wie er es nach seinen Leistungen in Toulon erwartet hat, sondern blicken stumm auf ihre Mappeu und Papiere. Das frostige, trockne Wesen ist hier Sitte, kein Bürger soll durch eine, weun auch noch so verdiente Schmeichelei verwöhnt werden. Am Schluß heißt es: Es genügt, Bürger Volksvertreter, der Ansschnß hat dich gehört und wird dich rufen lassen, wenn er etwas zu fragen hat. Du raunst dich zurückziehen.