Zur Naturgeschichte des Richters
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wandeln läßt, das wird für diesen Zweck durch die Gutachten von Sachverständigen der verschiedensten Art vorbereitet.
Diese gleichgültige Haltung dem praktischen Leben gegenüber pflegt der Nichter auch in'Zweigen seiner Thätigkeit zu bewahren, dre außerhalb der Rechtsprechung liegen, wie in den Grundbuch-, Vormundschafts-, Fldeckommch- angelegenheiten und dergleichen Hier hat sie aber noch einen andern, recht empfindlichen Übelstand zur Folge. Da es uämlich bei der verwaltenden Thätigkeit im Gegensatze zu der eigentliche« richterlichen des Rechtsprechens wesentlich daraus ankommt, daß in der Sache selbst etwas geschieht, wodurch diese gefördert wird, fo kann sie in zweckentsprechender Weise nur von dem ausgeführt werden, der sich der Sache selbst mit Eifer annimmt, und er wird die soziale Ausgabe, die ihm als Beamten gestellt ist: den Einzelnen nach Krästen soweit zu nützeu. als es gleichzeitig der Gesamtheit zum Nutzen gereicht, in jedem Falle am besten erfüllen, wenn er ihn uuter möglichst geringer Belästigung für die Beteiligten rasch zn einem sür sie befriedigenden Abschlüsse bringt, was jedenfalls nicht geschehen kann, ohne daß er selbst Interesse für die Sache hat. Das fehlt aber dem Nichter „als solchem," und dieser Mangel pflegt sich in einer möglichst spröden, ablehnenden Haltung auf semcr ^eite zu äußern. Er zeigt oftmals unverkennbar das Bestreben, entweder die an ihn gerichteten Gesuche rnndwcg. sei es auch nur aus formellen Gründen, abzulehnen oder Umstünde uud Schwierigkeiten zu machen, die in der Sache gar nicht begründet sind. Es läßt sich das nur teils aus der Unbekanntschaft mit dem praktischen Leben, teils aus der Scheu davor erklären. Wer jemals in der — man kaun wohl sagen mißlichen — Lage gewesen ist. mit Gerichtsbehörden geschäftlich verkehren zu müssen, der wird das Gesagte sicherlich bestätigen und sich dem Urteil anschließen, daß sie die ungefügigsten und auch für andre Leute, als die Übertreter des Strafgesetzes, unerfreulichsten Behörden sind.
Dieser Charakter wird durch einen dritten Umstand geradezu ins Unerträgliche gesteigert. Während jeder andre Beamte, dem es einmal begegnet ist, einen Fehler zu machen, durch geeignete Vorstellungen davon zu überzeugen ist und dann kein Bedenken trägt, in leidlich geschmackvoller Form den Rückzug anzutreten, was ja auch seine Pflicht ist, läßt sich der Richter — wenigstens soweit die ziemlich ausgedehnte Erfahrung des Verfassers reicht — unter keinen Umstünden dazu bewegen, eine Verfügung, die er einmal erlassen hat, wieder auszuheben, auch wenn sie offenbar verfehlt ist. Das kann, da man natürlich nicht annehmen darf, daß er wider bessere Überzeugung bei seiner Ansicht beharre, nur daher kommen, daß er von einem Fehler, den er sozusagen ex e^neclrii gemacht hat, nicht zu überzeugen ist, mag er auch vermeiden, Gegengründe geltend zu machen, und sich auf die beliebte Wendung beschränken, daß er „keine Veranlassung finde," von seinem Bescheid abzugehen.