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Maßgebliches und Unmaßgebliches
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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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der Militarismus schwindet. Also hüten wir nns davor, jede hervortretende Eitelkeit eines Einzelnen auf seinen Rang als Reserveoffizier, jede Ausschreitung eines jungen Offiziers sofort zu verallgemeinern und gegen überhandnehmenden Militarismus zu eifern. Ausschreitungen und Eitelkeiten werden im Heere wahr­scheinlich strenger beurteilt uud behandelt als in bürgerlichen Ständen.

L. v. Herget, Generalmajor z, D.

Noch eine Schattenseite in der Justiz betrifft das Vormundschafts- weseu. Nach dem preußischen Allgemeinen Laudrechte hatte der Vormund eine in hohem Grade unselbständige Stellung. Ans Schritt und Tritt mußte er die Ge­nehmigung des Vormundschaftsgerichts nachsuchen, und überall fand er sich dadurch in seiner Thätigkeit gehemmt. Aber die Vorschriften des Landrechts waren doch im ganzen wohlmeinend nnd verständig. Unter Umständen konnte der Richter dem Vormund auch eine etwas größere Selbständigkeit gewähreu. Jedes Gesetz will mit Verminst gehandhabt und angewendet werden, und wäre das immer geschehen, so wäre die laudrechtliche Vormundschaftsordnnng gar nicht so schlimm gewesen, wie sie gemacht nnd verschrieen worden ist. Aber sie wurde mit bllreankratischer Pedanterie gehandhabt. Wir könnten Beispiele ansühren von kleinlichem, eng­herzigem und zugleich tyrannischem Verfahren, die man nicht für möglich halten sollte. So wurde das Vormuudschaftswesen, vielfach zu einer wahren Landplage, und daher kam es, daß in allen Testamenten, in denen ein Vormund ernannt wurde, dieser stets von der Aufsicht des vormundschaftlichen Gerichts, soweit es gesetzlich irgend zulässig war, befreit wurde.

Aus alter Gewohnheit geschieht das nun regelmäßig heute noch, wo es meist gar keinen Zweck mehr hat. Nach der neuern Gesetzgebung ist dies ja alles ge­ändert. Der Vormund hat jetzt eine sehr selbständige Stellung, wenn es cmch Bestimmnugen genug giebt, die dem Richter eine Handhabe bieten, ihn erforder­lichen Falls wirksam einzuschränken. Im allgemeinen ist über die Stellung und Thätigkeit des Vormundschaftsrichters nur bestimmt, daß er über die Vormundschaft die Aufsicht zu führeu habe. Ju welcher Weise die Aufsicht geführt werden soll, und wie weit sie sich zn erstrecken hat, kann selbstverständlich kein Gesetz genau bestimmen; es mnß das dem Taktgefühl des Richters und seinem vernünftigen Ermessen überlassen bleiben. Seine Thätigkeit ist, wie es in der Natur der Sache liegt, eine gemischte, teils eine richterliche, teils eine verwaltende (insofern er die Vermögcnsverwciltung zu beaufsichtigen hat), teils eine, man möchte fast sagen Pastorale oder väterliche. Er ist für den Vormund der gewieseme Ratgeber, mit dem er dessen Angelegenheiten am besten mündlich bespricht. Wenn er seine Stellung so auffaßt und mit lebendigem Rechtsgefühl und treuer Sorge seines Amtes waltet, so hat er unaufhörlich Gelegenheit, gutes zu stiften und sich Ver­trauen und Dank zu erwerben. Wie ein Erbvertrag geschlossen wird, ist oft viel wichtiger für das Wohl und die Zukunft einer Familie, als wie ein Prozeß ent­schieden wird. Aber wie steht es mit alledem in Wirklichkeit? In neuester Zeit ist folgendes vorgekommen. Die Witwe als Vormünderin ihrer Kinder gerät in eine verwickelte Rechtsangelegenheit nnd weiß nicht, ob sie sich auf einen Prozeß einlassen soll oder nicht. Sie wendet sich nn den Vormundschaftsrichter und bittet um Rat. Darauf ergeht etwa folgende Verfügung:Nach Paragraph so und so hat das vormundschaftliche Gericht über die Vormundschaft nur die Aufsicht zu führen. Es ist daher nicht Sache des Gerichts, Ihnen Rat zu erteilen, vielmehr lediglich Ihre Sache, zu erwägen, was Sie in der Angelegenheit zu thun haben,