Maßgebliches und Unmaßgebliches
549
denen nur die Pflicht auferlegt wird, vor dem Parlament und den Regierungsvertretern alljährlich einen vollständigen Bericht über die Lage ihrer Genossen zu erstatten und Vorschläge zur Abhilfe ihrer Beschwerden zu machen. Zu den Kvm- missionssitzungeu, in denen über diese Vorschläge beraten würde, müßten sie zugezogen werden. Diese Arbeitervertreter müßten Diäten erhalten,
Militarismus uud Reserveoffizier. Aus unsrer politischen Lage ergiebt sich zweifellos, daß wir auf unsrer Hnt sein müssen. Darum ist es lächerlich, wenn man immer den sogenannten „Militarismus" bekämpft uud über den „Reserveoffizier" spottet. Was versteht man deuu uuter „Militarismus"? Doch wohl eine Vorliebe sür alles, was mit dem Heerwesen zusammenhängt, eine Vorliebe, die Viele bei uns für übertrieben halten. Und die Verbindung, in die der Militarismus stets mit dem Reserveoffizier uud zwar eifernder- oder spottenderweise gebracht wird, kann doch nur bedeuten, daß man dieser Einrichtung feindlich gegenübersteht. Auf der andern Seite zeigt wieder das Streben, den Reserveoffizier zu erreichen, die Sitte, den Titel als Reserveoffizier ans den Besuchskarte» cmzn- sühren, und zwar oft vor dem Titel eiuer höhern Stelluug im bürgerlicheu Leben, einen wie hohen Wert mau der Stelluug des Reserveoffiziers beilegt. Der Spott darüber entspringt also dem Neide derer, denen es nicht gelungen ist, Reserveoffizier zn werden. Sie spotten, ohne Rücksicht darauf, daß sie damit einer militärischen Einrichtung schaden, die wir durchaus nötig haben.
Zu den Zeiten der stehenden Heere im wahren Sinne des Wortes, also im vorigen Jahrhundert gab es mir Berufsoffiziere; bei der Kleinheit der damaligen Heere reichte die Zahl der Berufsoffiziere auch im Kriege aus. Wo das aber nicht der Fall war, sah man sich in die unangenehme Notwendigkeit versetzt, alle möglichen Leute im Kriege als Offiziere einzustellen nnd nach dem Kriege wieder zu entlassen, ohne Rücksicht darauf, was aus ihnen wurde. Noch im Jahre 186(i sind iu einzelnen süddeutschen Kontingenten, die bekanntlich die preußische Wehrverfassuug, also auch die Reserveoffiziere nicht hatten, Leute als Offiziere eingestellt worden, die keinerlei militärische Vorbildung hatten. Nach dem Kriege wnrden die meisten kaltblütig mit einer geringen Abfindungssumme wieder cutlassen. Im Kriege hatten sie beim besten Willen kaum nützen können; nach dem Kriege konnten sie sehen, wie sie sich im bürgerlichen Leben wieder ein lohnendes Dasein schafften. Die amtliche Bezeichnung dieser Offiziere lautete: „Offizier ans Kriegsdauer"; der Volks- und Soldatenwitz aber nannte sie „kriegsbedanerliche Offiziere."
Unsre heutigen Heere sind keine stehenden Heere mehr. Nur das Osfizierkorps ist dauernd, und ein geringer Teil der Unteroffiziere. Die Mannschaften stellt das wehrfähige Volk, nnd der Unterschied in der Zahl zwischen Friedens- uud Kriegsstand ist so groß, daß der Kriegsstand nicht mit lauter Berufsoffiziere,: versehen werden kaun. Wir müssen also Offiziere auch im Benrlnubteustaude haben, die nötigenfalls bereit sind, die leeren Stellen in den verschiednen Heeresteilen auszufüllen. Dazu müssen sie die nötige Vorbildung haben. Unsre Reserveoffiziere haben anch in allen Kriegen von 18(i4 bis 1871 vorzügliches geleistet in der Schlacht sowohl wie in den mancherlei Verweudnugen, die sie sonst gefunden haben. Infolge der größer» Lebenserfahrung nnd Geschästskenutnis, die die meisten Reserveoffiziere aus ihrem bürgerlichen Berufe mitbriugeu, sind sie zu mancherlei Thätigkeiten, wie Quartiermachen, Leitung von Verpflegnugs- uud Sauitätskolouneu geeigneter als die Berufsoffiziere. Ich habe selbst im Kriege von 1870/71 die besten Erfahrungen mit ihnen gemacht. Da wir also die Reserveoffiziere gar nicht entbehren