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Der juristische Zopf
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Naturforschung und Weltanschauung

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Staate, der sich so, wie der preußische, seiner Fürsorge für die Bildung zu rühmen pflegt. In Schweden, in Norwegen hat man Schulmänner zu Ministern gemacht, unter den deutschen Schulmännern giebt es gewiß eine ganze Reihe von Männern, die alle persönlichen und sachlichen Eigenschaften haben, um den an einen Unterrichtsminister zn stellenden Anforderungen gerecht zu werden. Statt diese geeigneten Kräfte an die Stelle zu berufen, besetzt man die obersten Posten mit ehemaligen Verwaltungsbeamten, wie den Herren v. Puttkamer und v. Goßler, oder Männern, die in der eigentlichen Rechts­sphäre zu Hause sind, wie den Herren Falk uud Bosse. Wenn dann ein Minister öffentlich im Abgeordnetenhause erklärt, die Zeit zu Reformen auf dem Gebiete des höhern Schulwesens sei noch uicht gekommen, weil dreihundert bis vierhundert Reformvorfchläge einander gegenüberstünden, zwischen denen zu wählen unmöglich sei. so ist eine solche Hilflosigkeit gegenüber den dringenden Forderungen der Zeit nicht verwunderlich. Auch das ist nicht verwunderlich, wenn dann, als aus einen Anstoß von mächtigerer Seite her die Schulreform doch in Angriff genommen wird, der Minister in seiner Unkenntnis der Ver­hältnisse zur Durchführung dieser Schulreform gerade die Männer wühlt, denen diese Durchführung nie hätte übertragen werden dürfen, weil sie jeder Schulreform von vornherein feindlich gegenüberstanden, und wenn dann dabei ein Werk zu stände kommt, das von vornherein den Stempel der Halbheit an sich trägt.

(Schluß folc,t)

Naturforschung und Weltanschauung

von A. Landerer (in Stuttgart)

eit einem Vierteljahrhundert lauscht die Menschheit den Bot­schaften der Naturwisseuschaft mit einem Glaubenseifer, wie er kaum einer geoffenbarten Religion entgegengebracht worden ist. Ein Zweifel an der Wahrheit naturwissenschaftlicher Enthüllungen ist für den Menschen von heute einfach undenkbar. Dreht er seinen Gashahn auf, legt er den Schcillbechcr des Telephons ans Ohr, steigt er in die Eisenbahn, in jedem Augenblick tritt ihm der Erfolg der Naturwissen­schaften, die Wahrheit ihrer Lehrsätze mit erneuter Beweiskraft entgegen. Dhne Zögern überträgt man den unerschütterlichen Glauben an die Natur­wissenschaften auf die Schlüsse, die für Weltanschauung und Philosophie aus

Grenzbotcn I 1897 Z