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Der Staat als Organismus
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Der Staat als (Organismus

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daß das Niedersinken eines Luftwirbels in Nordamerika ganz Europa in Regen­schauer einhüllt. Und wie verschwindend klein sind die Beziehungen in der menschlichen Gesellschaft schon gegen die planetarischen! Überall, wo man einen Gegensatz des sozialen Körpers zu der Natur gesucht hat, in der er wächst, zerfällt und sich erneut, haben sich die Übergänge gefunden, die ihn nur fester in seine Umgebung hineinpflanzen. Auch im Geistigen zeigt der soziale Körper nur die Entfaltung dessen im höchsten Grade, was tiefer unten bereits da­gewesen ist. Das Göttliche ist auch iu den Einzelnen, und die Gesellschaft giebt nur größere Möglichkeiten reicherer Entfaltung. Die Stufe der Vernunft wird keineswegs erst in der Gesellschaft, sondern schon in dem Einzelmenschen erreicht. In der Vereinigung erhöht sie sich allerdings. Aber die Vereinigungen in allen Formen der Gesellschaft und des Staates sind ja wieder nur durch das Wachsen der Vernunft möglich, von dem wir gar nicht wissen, ob es äußere Anregungen zu seinem Fortschritt nötig hat.

Die menschliche Gesellschaft kann gar nicht aus ihrem kosmischen Zu­sammenhang herausgedacht werden. Es geht nicht bloß in den Körper jedes einzelnen Menschen die Wärme und Bewegung über, die die Pflanzen und Tiere in ihrer Lebensarbeit hervorgebracht und in tausenderlei Stoffen auf­gehäuft haben; auch der Mensch braucht Licht und Wärme der Sonne. Und wenn er nicht unorganische Stoffe auflöst und zersetzt, um sie in seinen Organismus aufzunehmen, wie es die Pflanze thut, so braucht er doch Wasser und Luft, um zu leben. Durch die Schwerkraft an die Erde gebunden, ist er nur auf der Erde möglich. Und daraus geht wieder der eugere Zusammen­hang hervor, den die Biogeographie ausspricht, wenn sie den Menschen unter die landbewohncnden Wesen stellt, wo er mit Säugetieren, Reptilien, Käfern, Land­schnecken ganz besondre Verbreituugsverhältnisse, d. h. ein ähnliches Maß und eine übereinstimmende Art von Bodenabhängigkeit zeigt. Diesen Abhängigkeiten steht das eigne Thun der Menschen gegenüber, das eine weitere Gruppe von Verbindungen schafft. Der Mensch gestaltet die Oberfläche der Erde um, indem er thätig auf den ruhenden Stoff und anf die außermenschliche organische Welt wirkt, umschaffend und zerstörend. Wir betonen dasUmschaffen." Hier zeigt sich die Erdgebuudenheit des Menschen wie in nichts cmderm, hier zeigt sich, daß er nur Gegebnes umgestalten kann. Was die Natur außer ihm durch unnnterbrochne Umbildung gegebner Stoffe hervorbringt, das ergreift die Natur in ihm und bildet es weiter um. Nie hat ein Mensch einen neuen Stoff geschaffen oder zu dem Kraftvorrat der Erde auch nur das kleinste Teilchen zugefügt. An diese Abhängigkeit von dem Gegebnen sind wir so ge­wöhnt, daß es uns ganz unsinnig vorkommt, eine solche Möglichkeit auch nur zu erwägen. Daß der Mensch auch mit seinen höchsten Ansprüchen an das gebunden ist, was ihm die Erde bietet, zeigt ihn so recht als Teil der Erde. Wenn wir die Vorstellung von einer sich entwickelnden Gesellschaft mindestens belebt und gekräftigt sehen durch die aus der Geschichte alles andern Lebens