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Die Kompetenzerweiterung der Amtsgerichte und die Reichsanwaltschaft
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5)4^ Die Aompeteuzei Weiterung der Amtsgerichte

die Festsetzung einer höchsten Zahl, beeinträchtigt diese Freiheit mir dann, wenn die Auswahl der Persönlichkeiten in die Willkür der Behörden gestellt wird. Könnte die Auswahl vhue solche Willkür nicht getroffen werden, dann entstünde immer noch die Frage, ob nicht das Interesse der Rechtspflege eine solche Beschränkung der freien Advokatur erfordere. Wird aber die Zugäng­lichkeit der Advokatur durch eine sachliche Norm geregelt, so ist nicht ein­zusehen, wie ihre Freiheit im geringsten durch Festsetzung einer höchsten Zahl beeinträchtigt werden soll. Eine sachliche Norm wird vielleicht am besten ge­boten durch das von der Mehrzahl der rheiuischen Anwälte befürwortete Listenvcrfahren: die Anlegung eiuer Liste, in die sich jeder zur Erlangung der Advokatur befähigte Jnrist eintragen lassen kann, sodaß auf die Besetzung einer freigewordnen Stelle der ein Vorrecht hat, der früher in der Liste ein­getragen ist. Wird hinzugefügt, daß mit Erlangung der Stelle der Borrang in der Liste erlischt, so wird damit dem nahe liegenden Übclstande vorgebengt, den die Befolgung des Altersprinzips mit sich bringen würde. Selbstver­ständlich dürfte sich, wenn mehrere solche Listen etwa für jeden Oberlandes­gerichtsbezirk oder für jedes einzelne Gericht geführt würden, jeder Richter, Anwalt oder Asfesfvr nur in eine dieser Listen eintragen lassen.

Aber uoch ein andres Mittel bietet sich, sogar ohne Einführung eines uunKZrv.8 oliiusus die Rechtspflege vor dem drohenden Herabsiuken des An- waltstandes zu bewahren. Der Gesetzgeber von 1876 hat ohne Zweifel die Absicht gehabt, den Anwaltstand zu einem dem Nichterstande vollständig eben­bürtigen Organ der Rechtspflege zu machen. Ohne solche Ebenbürtigkeit ist eine freie Aduokatnr, eine, die mit innerer Freiheit vor die Gerichtsschranken tritt, undenkbar. Wird aber, wie es jetzt der Fall ist, die große Masse der überzähligen Juristen, die jahrelang auf die erste Anstellung als Richter zu warten hätte, notgedrungen der Advokatur zugeführt, so wird diese Eben- bürtigkeit thatsächlich aufgehoben. Sie würde wiederhergestellt, uud eben da­durch der Anwaltstand vor einem Herabsinken bewahrt werden, durch die Be­stimmung, daß die Advokatur dem Gcrichtsasfessor erst zu der Zeit zugänglich wird, wo er im andern Falle die Aussicht auf sofortige Austelluug als Richter hätte.

Zum Schluß uoch ein Wort darüber, daß jeder Beschränkung der Zu- gäuglichkeit der Anwaltschaft allerdings das lebhafte nnd dringende Interesse der jungen Juristen widerspricht, denen augenblicklich die Auwaltschaft offen stünde, denen aber auf Jahre hinaus die Anstellung als Richter noch nicht offen steht. Wollten wir im Interesse der heutigen Anwälte eine Klausur der Auwaltschaft befürworten, so ließe sich dafür vielleicht manches anführen; z. B. daß der heutige Anwaltstand, ein staatlich organisirter Beruf, der zur Mitwirkung bei Erfüllung eines der wesentlichsten Staatszwecke berufen ist, nnd dessen Mitglieder ihr halbes Leben darauf verwendet haben, den Be-