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Die Kompetenzerweiterung der Amtsgerichte und die Reichsanwaltschaft
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Die Uoinpetenzerweiterung der Amtsgerichte

die Verschlechterung der Anwaltschaft immer weiter um sich greifen. Dieser Rückgang würde aber wesentlich gefördert werden durch eine Erweiterung der Zuständigkeit der Amtsgerichte, wenn nicht gleichzeitig Maßregeln zum Schutz des Anwaltstandes ergriffen werden. Die geplante Erweiterung und vollends die ebenfalls ins Auge gefaßte Eiurichtuug. wouach alle Klagen ohne Unter­schied des Streitwertes zunächst ohne Anwaltszwang an einen Einzelrichter gelangen sollen, würde die Thätigkeit des Anwalts auf einem großen Teil seines bisherigen Arbeitsfeldes lahmlegen. Sie würde ihm gerade die Mandate entziehen, die für eine geringe Mühwaltung oft große Gebühren bringen, und die die notwendige Kompensation bewirken für die zahlreichen Fälle, wo eine bedeutende Mühwaltung zu unverhältnismäßig geringen Gebührenein­nahmen führt. So wird dieAusgewinnung" von Versäumnisurteilen keines­wegs mißbräuchlich hoch bezahlt; ihre Bezahlung hat in der Gesamteinnahme des Nechtscmwalts die Aufgabe, ihn für manches langwierige und mühevolle Mandat, dessen angemessene Bezahlung in gar keinem Verhältnis zum Streit­wert stehen würde, verfügbar zu machen. Die Erweiterung der amts­gerichtlichen Zuständigkeit wird nun gerade solche ausgleichende Mandate) derSelbstvertretung" der Parteien oder richtiger ihrer Vertretung durch Winkelkonsulenten zugänglich machen; die dem Anwalt verbleibenden thatsächlich verwickelten oder rechtlich schwierigen Fülle gewähren ihm allein keinen Lebens­unterhalt.

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Diefreie Advokatur" teilt mit allen politischeu Schlagwörtern das Schicksal, an Klarheit einzubüßen, was sie an einschmeichelndem Wortklang ge­wonnen hat. Die freie Advokatur ist eine politische Forderung. Ihr Zweck ist, zu gewährleisten, daß die politische Opposition, und wer ihr angehört, ebenso hilfsbereite Verteidiger und Verfechter ihrer Interessen finde, wie die regierungsfreundlichen Parteien und ihre Angehörigen. Soll der politisch miß­liebige Staatsbürger und die politisch mißliebige Sache nicht bloß auf einige besonders hochherzige Männer angewiesen sein, sondern auf eine ebenso bereite und ebenso kraftvolle Nechtsverfolgnng und Verteidigung rechnen können, wie ihre staatlich begünstigte Gegnerin, so bedarf es einer Anwaltschaft, die mög­lichst unabhängig ist von der Staatsgewalt. Die Forderung der freien Advokatur verfolgt denselben Zweck wie die Forderung der Unabhängigkeit des Richterstandes. Um dem Richter jede Versuchung abzuschneiden, eine politisch mißliebige Person oder Sache ungünstiger zu behandeln als eine, die die Staats­gewalt unter ihre Obhut nimmt, soll er keinerlei Gefahr ausgesetzt sein, wegen mißliebiger Urteilssprüche persönlichen Nachteil zu leiden. Zu demselben Zweck soll dem Rechtsanwalt jede Versuchung abgeschnitten werden, eine politisch mißliebige Person oder Sache abzuweisen oder sie minder kraftvoll oder minder