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Zur Frauenfrage
aber die „aus dem Volksleben hervorgegcmgnen Anschauungen," auf die er sich berufe, kenne er nicht. Ebenso halten wir es für eineu groben Verstoß, das; der letzte Fraueukougreß in Kassel spöttische Bemerkungen über das „Puppenheim," worin der Mann bisher die Frau gehalten habe, ungerügt ließ. Das liebliche Wort rührt von Jbseu her. Wir meinen: eine richtige deutsche Hausfrau wird nie ein Puppendasein führen, auch nicht bei den obern Zehntausend; sie wird sich für die zweifelhaste Ehre bedanken, die in dem Jbscnschen Ausdruck für sie eingeschlossen liegt. Daß keine von den ans dem Kongreß anwesenden Fraueu den Mnt hatte, den Mund anfznthun, um eine solche Entwürdigung des deutschen Hauses zurückzuweisen, ist ebenso traurig wie beschämend. Es kann kanm eine grausamere Selbstverhöhnung geben, als wenn auf einem Frauentage solche Bemerkungen mit Beifallklatschen aufgenommen werden. Unsre Mütter waren doch andre Frauen!
Zu eiuem sehr bedenklichen Verlangen verstieg sich auf demselben Kongreß eine Fran Stritt, die am Schluß ihrer Rede über die Nechtsschutzvereine der Fraueu ausrief: Es giebt eine Forderung, die heute noch nicht von allen meinen Genossinnen vertreten wird und heute auch nicht auf dem Programm steht, aber einst darauf erscheinen wird und muß: Vertretung der Frauen in Gericht und Gesetzgebung. Also Slimmrecht und Wahlrecht der Frauen! In dasselbe Kapitel gehört die Drohung aus auderm Munde: Man solle sich nicht wundern, wenn in nächster Zeit von den Frauenvereiueu gegen das bürgerliche Gesetzbuch eine Agitation eingeleitet werde, wie sie Deutschland vielleicht noch nicht gesehen habe. Am meisten aber beklagen wir eS, daß sich schon heute Rednerinnen hie und da nicht scheuen, atheistische Anspielungen einstießen zu lasten. Einer Frau, die ihre weibliche Würde so vergißt und gegen die gute Sitte so verstößt, sollte es doch unmöglich gemacht werden, die edeln Bestrebungen der Frauensache durch derartiges Vorgehen zu diskreditiren.
Mau wird gegen die Zeichnung dieser wenig erfreulichen Bilder einwenden : Du darfst uicht die ieideuschaftlicheu Äußerungen einzelner weiblicher Heißsporne verallgemeinern, darfst auch uicht die Gesamtheit dafür verantwortlich machen. Gewiß, das kommt uns nnch nicht in den Sinn. Aber der Geist, der einen Frauenkongreß von gewissermaßen offiziellem Charakter beseelt, die Lnft, die dort weht, ist eben doch bezeichnend für die ganze Bewegung. Es mag sein, daß ein Berein, zumal in seinen Anfängen, nicht anders kann, als alle möglichen Strömungen in sich zu vereinigen. Aber der Frauenverein hat das doch heute nicht mehr nötig. Er hat die Kinderschuhe ausgezogen und ist in das reifere Alter eingetreten. Will er weiter wachsen, will er sich vertiefen, so ist unbedingt notwendig, daß er die allzufreien Geister von sich abstößt und dem Neformverein oder andern Vereinigungen zuweist. Der Frauenverein ist, so scheint es, nu einem wichtigen Punkt angelaugt. Seme Zukunft häugt davon ab, ob die unweiblichen, revolutionären Stimmen die