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Agrarische Sünden vor hundert Jahren
in den neunziger Jahren natürlich nicht ausgeblieben. Die Katastrophe von 1806 mit ihren politischen Folgen hat aber leider in der dem heutigen Geschlecht gebotnen Geschichte die Erinnerung an die vorhergegangne agrarische Spekulation fast ganz getilgt und damit wirtschaftliche Erscheinungen der Beachtung so gut wie vollständig entzogen, die heute gar nicht eindringlich genug als warnendes Beispiel den ostdeutschen Rittergutsbesitzern im allgemeinen und dem preußischen Agrariertum im besondern vor Augen gehalten werden müssen, um so eindringlicher, als selbst in den preußischen Ministerien die Kenntnis der Agrargeschichte der Ostprovinzen erst mit der Stein-Hnrdenbergischen Gesetzgebung zu beginnen scheint, und die neupreußischen Bauernretter unter unsern gelehrten Volkswirten die Negierungsvertreter nach Kräften in dem Glauben bestärken, daß die Agrarpolitik Steins und Hardenbergs an allen Übeln schuld uud alles Heil in dem grundsätzlichen Bruche mit ihr zu suchen sei. Wir maßen uns nicht an, die schweren agrarischen Fragen der Gegenwart hier zu lösen, aber vor Einseitigkeiten und Irrtümern bei ihrer Lösung wollen wir warnen, indem wir noch einige andre Mitteilungen aus zuverlässigen Quellen zur Beurteilung der gleichen Krankheitserscheinuugen beibringen, unter denen unsre Großvater und Urgroßväter zu leiden hatten.
Eine vortreffliche Schilderung der mecklenburgischen und pommerschen Verhältnisse zu Ende des vorigen Jahrhunderts giebt Ch. E. Langethal in einem in Räumers Historischem Taschenbuch (4. Folge, 4. Jahrgang, 1363) veröffentlichen Aufsatze: „Geschichte der deutschen Landwirtschaft in Verbindung mit der allgemeinen Geschichte von 1770 bis 1850." Er schreibt da unter anderm: „Bekanntlich begann die französische Revolution in einem teuern Jahre. Die Fruchtpreise blieben aber auch in den nächstfolgenden Jahren fortwährend sehr hoch, weil die Unruhen Leben und Eigentum unsicher machten. Man hatte wenig Lust, das Feld zu bauen. Der Acker wurde meist nur schlecht bestellt, ein großer Teil blieb sogar brach. Frankreich bedürfte daher einer bedeutenden Zufuhr an Frucht, und die hohen Preise ermöglichten für Deutschland einen starken Weizeuexport. Früher hatte nur Niederrhein und Ostfriesland einigen Weizen nach Holland und England gesandt, jetzt aber fuhren auf allen nördlichen Strömen und auö allen deutschen Häfen Weizenschiffe der Grenze Frankreichs zu, sodaß der Frnchthandel zur See eiue hohe Bedeutung erhielt. Die starke Koruausfuhr wirkte auf alle norddeutschen und rheinischen Kornmärkte zurück, überall begann die Frucht im Preise zn steigen, ein Umstand, der wiederum die rasche Verbreitung des neuen Kultursystems sehr beförderte. Also wirkte die französische Revolution anfangs gar nicht ungünstig auf die materiellen Zustände Deutschlauds zurück. Indessen zogen Mecklenburg und Schwedisch-Pommeru, die den größten Nutzen von der Getreideausfuhr haben sollten, gerade den allergeringsten Vorteil davon. Bauern giebt es in beiden Ländern eine bloß unbedeutende Zahl, also kann in Bezug auf land-