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Die Macht des Unvernünftigen
den Aberglauben früherer Zeiten zurückzugreifen, wenn man nur dnrch die so aufgestellten Behauptungen die Parteibestrebungen rechtfertigen zu können glaubt.
Der verrückteste Agrarier würde eine solche Forderung nicht stellen! hat Fürst Vismarck einmal gesagt, als von der Möglichkeit eines besonders hohen Zollsatzes oder einem andern ausschweifenden gesetzgeberischen Plane die Rede war. Als er diesen Ausdruck brauchte, hat damit der Urheber und eifrige Vorkämpfer der Schutzzollpolitik selbst zugestanden, daß es ein Übermaß von Forderungen auf diesem Gebiete gebe, worauf die Gesetzgebung nicht eingehen dürfe, daß eine Ausartung des agrarischen Programms in „Verrücktheit," vom Standpunkt einer besonnenen Staatsleitung aus beurteilt, denkbar sei. Es ist aber damals zu wenig beachtet worden, daß der Keim der Unvernunft schon in den ersten, vermeintlich bescheidnen und wohlbcrechtigten Forderungen gegeben war. Unvernunft lag schon in der Überschätzung der Fähigkeiten der Staatsgewalt; thöricht war die Vorstellung, daß die Gesetzgebung willkürlich die Preisbildung beherrschen und die Folgen großer wirtschaftlicher Umwälzungen dem Einzelnen abnehmen könne. Und während zu Anfang vielfach angenommen wurde, daß die Bewilligung der „kleinen Mittel," die damals nur gefordert wurden, unbedenklich sei, und daß man dadurch die nngestüm Fordernden zufriedenstellen werde, hat sich das Gegenteil ergeben. Man glaubt mit kleinen Mitteln viel erreichen zu können, und die Enttäuschung war natürlich um so größer, als jede Wirkung ausblieb. Auch damals schon wurde wohl das Wort vernommen, daß es sich um einen Versuch handle, und dabei mochte bei denen, die sich nur ungern znm Mitwirken an diesem Gesetzgebnngs- werke bewegen ließen, die Voraussetzung die sein, daß, wenn der Versuch mißlinge, er aufgegeben werden müsse. Ganz anders aber war die Wirkung des Mißlingcns auf die, die den „Versuch" als das Mittel zur Erhaltung ihrer Existenz betrachtet hatten. Sie hatten nur das eine behalten, daß ihnen das grundsätzliche Zugeständnis der Berechtigung ihrer Forderungen gemacht worden war. Sie glaubten die Gesetzgebung bei dem gegebnen Versprechen festhalten zu dürfen, und die Gesetzgebung mußte nun weiter „versuchen," was sie für die Notleidenden, denen unter allen Umständen geholfen werden mußte, thu» könnte. So sind wir auf der Bahn des Unvernünftigen allmählich immer weiter gedrängt worden. Die Gesetzgebung hat bewilligt, was auf einer frühern Entwicklungsstufe von den Anhängern dieser Richtung selbst für eine Ungeheuerlichkeit gehalten worden ist. Und auch außerhalb des Kreises der eigentlichen Jnteressenpolitiker haben sich bei einem großen Teile der Bevölkerung, wie es scheint, die Nerven abgestumpft gegen das Unvernünftige und, man muß leider hinzufügen, gegen die Ungerechtigkeit der agrarischen Fvrderungen. Neuerdings aber hat die Entwicklung zum Unvernünftigen hin einen wahrhaft beängstigenden Geschwindschritt angenommen. Denn wenn mit dem feierlichen