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Die Vorbildung für den höhern Verwaltungsdienst in Preußen
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Die Vorbildung für den höhern Verwaltungsdienst in Preußen 293

Prüfungen durchweg neben rechtswissenschaftlichen Gebieten auch ernsthaft auf die Staatswissenschaft ausgedehnt werde. Er weist dabei nachdrück­lich das Bedenken zurück, als ob dadurch die Gefahr der Vielwisserei mit daraus folgendem Nichtswissen entstehen müßte. Es sei einer der größten Fortschritte der neuern Jurisprudenz, daß der unlösbare Zusammenhang des formellen Rechts mit dem wirtschaftlichen Leben der Nation mehr und mehr erkannt und ausgebildet werde. Der Jurist, dem nicht durch eine ernsthafte Beschäftigung mit Nationalökonomie und Finanzwirtfchaft die Kenntnis des wirklichen Lebens erschlossen sei, sei in seiner praktischen Berufsthätigkeit ebenso hilflos wie der Verwaltungsbeamte, der nicht durch das Studium der Rechts­wissenschaften juristisch denken gelernt habe. Seine Lage wäre trostlos, wenn ihm nur die Wahl bliebe zwischen Einseitigkeit in dem einen oder Vielwisserei im andern Falle. So liege die Sache aber keineswegs, wenn es darauf an­komme, in einem vierjährigen Studium sich neben den rechtswissenschaftlichen Lehrgebieten die Grundlagen und Grnndlehren der Staatswisfenschasten um die es sich ja doch immer nur handle zu eigen zu machen.

Für den praktischen Vorbereitungsdienst muß, wenn er für die angehenden Justiz- und Verwaltungsbeamten der gleiche sein soll, das sogenannteVer­waltungsjahr" natürlich eingeführt werden, und man kann dem Verfasser nur zustimmen, wenn er gerade auch für die Ausbildung der richterlichen Beamten von dieser Neuerung einen großen Vorteil erwartet. Ob seine Vorschlüge in allen Einzelheiten unanfechtbar sind, soll hier nicht untersucht werden. Die Ver­kürzung des praktischen Vorbereitungsdienstes auf drei Jahre wird wohl manche Anfechtung erfahren, so sehr der Verfasser mit Recht davor warnt, die Re­ferendare länger als unbedingt notwendig im Borbereitungsdienste festzuhalten.

Man sieht, wie eng sich die vorliegende Frage mit derAssessorenfrage" in Preußen berührt, ja daß es sich hier eigentlich um eiuen Teil der Assessoren- srage handelt. Es wäre dringend zu wünschen, daß, nachdem der Gesetzentwurf betreffend die Regelung der Richtergehalte und die Ernennung der Gerichts­assessoren im Abgeordnetenhause eine so wenig glimpfliche Behandlung erfahren hat, die ganze Assessorenfrage unter Einbeziehung der Reform der Vorbildung für Justiz und Verwaltung sofort neu in Angriff genommen würde. Die Regierung könnte so die Schlappe, die sie jetzt bei dem einseitigen Vorgehen uicht unverdient erlitten hat, am besten wieder gut machen. Sollte dies nach der Veröffentlichung eiuer so sachkundigen uud eindringlichen Mahnung, wie sie der Aufsatz in den Preußischen Jahrbüchern enthält, nicht geschehen, so müßte >nan annehmen, daß trotz aller Gesetzentwürfe und Kommissionsberatungen in Berlin dasWasch mir deu Pelz, aber mach mich nicht naß" unverändert die Losung, und der Verfall des Preußischen Beamtentums zum Unheil Deutsch­lands unaufgehalten bleibt. G. B.

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