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Die Vorbildung für den höhern Verwaltungsdienst in Preußen
Über die juristischen Prüfungen und die Vorbereitung zum höhern Justizdienst vor, worin vorgeschlagen war, daß von den auf vier festzusetzenden Vorbereitungsjahren eins zur Vorbereitung im Verwaltungsdienste verwendet werden sollte, und der damalige Justizminister Leonhardt erklärte im Herrenhause ganz offtn, daß man es durch dieses „Verwaltungsjahr" ermöglichen wolle, eine besondre Vorbildung für den Verwaltungsdienst wegfallen zu lassen. Hauptsächlich an diesem Verwaltungsjahre scheiterte damals die Reform rücksichtlich des Verwaltungsdienstes. Der Erklärung Vismarcks, die Regierung lege hohen Wert darauf, daß der Richter die Verwaltung und der Verwaltungsbeamte die richterliche Praxis kennen lerne, trat die Fraktionspolitik mit den wirkungsvollen Phrasen entgegen, man könne aus diese Weise dahin kommen, daß die Justiz „administrirt" und nicht mehr „gesprochen" werde, man dürfe den Richter nicht „in die Schule des Ermessens verweisen," man müsse ihn fernhalten „von jeder Berührung mit der Willkür" usw. So kam das Gesetz vom 6. Mai 1869 über die besondre Vorbildung für den Justizdienst ohne „Verwaltungsjahr" zustande, und erst am 11. März 1879 folgte das besondre Gesetz über die Befähigung zum höhern Verwaltungsdienst. Nach den zur Zeit geltenden Bestimmungen wird nun für die Justizbeamten ein dreijähriges „Rechtsstudium," für die Verwaltungsbeamten ein dreijähriges „Studium der Rechte und der Staatswissenschaften" verlangt. Die erste Prüfung ist auch für die künftigen Verwaltungsbeamten die „erste juristische," deren Gegenstand nach dem Gesetz von 1869 das öffentliche und das Privatrecht und die Rechtsgeschichte, sowie die „Grundlagen der Staatswissenschaften" bilden sollen. Zur zweiten Prüfung — der großen Staatsprüfung, dem „Asfessorexamen" — ist bei den richterlichen Beamten eine Vorbereitung von vier Jahren im praktischen Justizdienst, für die höhern Verwaltungsbeamten eine Vorbereitung von wenigstens zwei Jahren bei den Gerichtsbehörden und von wenigstens zwei Jahren bei den Verwaltungsbehörden erforderlich. Die große Staatsprüfung selbst ist bei den Juristen darauf zu richten, ob sich der Kandidat „eine gründliche Kenntnis des gemeinen und des in Preußen geltenden öffentlichen und Privatrechts" erworben habe, während sie sich bei den Verwaltungsbeamten auf „das in Preußen geltende öffentliche und Privatrecht, insbesondre das Verfassungs- und Verwaltungsrecht, sowie auf die Bolkswirtschafts- und Finanzpolitik" erstrecken soll.
Weder für den Justizdienst noch für den Verwaltungsdienst hat sich dieser Zustand bewährt. Namentlich die theoretische Durchbildung der angehenden Justizbeamten hat sich als durchaus mangelhaft erwiesen, wie dies der Präsident der Justizprüfungskommission noch in seinem letzten Bericht in den schärfsten Ausdrücken gerügt hat. Es sei unglaublich, bis zu welchem Grade die Gedankenlosigkeit und Oberflächlichkeit der Prüflinge in dieser Beziehung gehe. Über die Erfahrungen im Verwaltungsdienst äußert sich der Verfasser