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Maßgebliches und Unmaßgebliches
der Währungsfrage für jetzt und für dcis deutsche Reich sind seine schlichten, dem gesunden Menschenverstände verständlichen Ausführungen von um so höherm Wert, als dcis sogencmute gebildete Publikum sich zwar immer allgemeiner für die Frage interessirt und zu ihr Stellung nimmt, aber sich doch fast ausschließlich von vorgefaßten Meinungen und unverstaudnen, aber gläubig angenommnen Parteiphrasen aus sein Urteil oder vielmehr sein Vorurteil bildet. Es ist deshalb wohl am Platze, auch hier die Schlußfolgerungen, zu denen Conrad auf Grund unantastbarer statistischer Thatsachen kommt, einem weitern Leserkreise etwas näher zu bringen.
Conrad wird zu seinem Urteil in der Währungsfrage veranlaßt einerseits durch die Thatsache, daß die Goldgewinnung in den letzten Jahren gewaltig zugenommen hat, und eine bisher unerhörte Anhäufung von Goldvorräten vorhanden ist, andrerseits durch die ebenso unzweifelhaft erwiesene Erscheinung, daß trotzdem die Warenpreise nicht nur keine Steigerung erlitten haben, sondern bis in die neueste Zeit hereiu zurückgegangen sind. Die Freunde des Bimetallismus und auch Conrad selbst haben das Sinken der Preise früher auf die Verteuerung des Goldes zurückgeführt. Die Gvldverteueruug aber wurde aus der Abnahme der Goldgewinnung bei Erweiterung der Nachfrage uach Gold und der daraus hervorgegaugnen „Goldknappheit" erklärt. Nach den soeben erwähnten Erscheinungen auf dem Gebiete der Goldgewinnung uud der Wareupreisentwicklung kcmu sich uuu auch Conrad der Schlußfolgerung nicht entziehen, „daß, wenn diese Umgestaltung in der Gold- produttiou uud der thatsächlich reiche Vorrat an Gold gar keinen ersichtlichen Einfluß ans die Preise auszuüben vermocht hat, auch uicht die früher unbedeutende Abnahme in der Goldgewinnung die Ursache der Preissenkung gewesen sein kann." Ferner sei klar, daß die Entwertung des Silbers uicht eine Folge der Goldknappheit sei, sondern der übermäßigen Silberproduktion. „Alle die Aufstellungen der extremen Bimetallifleu fallen damit in sich zusammen. Da ferner die verminderte Zufuhr an Weizen aus Indien ergeben hat, daß Indien trotz des niedrigen Silberstandes eine erhebliche Bedentuug auf dem europäischen Getreidemarkt nicht mehr bei den jetzigen niedrigen Preisen zu bewahren vermochte, so liegt für Deutschland jetzt absolut kein Grund vor, durch irgend ein Opfer den Übergang zum Bimetallismus zu erstreben. Deutschland hat durch die Aufgabe fdcis Aufgeben!^ der Goldwährung jetzt nichts zu gewinnen, wohl aber sehr viel zu verlieren." Wenn die Parteiführer trotz der gänzlich veränderten Lage keine Änderung in ihrer Haltung haben eintreten lassen, so sei klar, daß die Währungsfrage für sie nur Mittel zum Zweck, folglich Agitationsmittel sei, weiter nichts.
Es ist erfreulich, daß die verbündeteu Regierungen für ihre wenigstens in der Währungsfrage eingenommne feste Haltung diese Anerkennung vou berufner, unparteiischer Stelle finden. Ob Conrads Stimme in den im Banne der agrarischen Parteiagitation befangnen Kreisen Gehör finden wird, müssen wir abwarten. Gerade Conrad, der mit den Leiden der ostdeutschen Landwirtschaft besonders vertraut ist und die Interessen des ostelbischen Großgrundbesitzes seit langem warm vertritt, verdiente das entschieden. Wenn einer der Paten des preußischen Agrariertums, Herr von Bülow auf Cummcrow, im Jahre 1314 davor warnte, in Zeiten der Not leeres Stroh zu dreschen, so mag sich das die deutsche Landwirtschaft auch heute mit Rücksicht auf die Währuugsfrage gesagt sein lassen.
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Mnrquart in Leipzig