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Maßgebliches und Unmaßgebliches
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Maßgebliches und Unmaßgebliches

weit dieses der Fall ist, widerspricht die gegenwärtige Lehrweise und die dadurch bedingte vielgeschäftige kirchliche Praxis, wie berechtigten Anforderungen wissen­schaftlichen Denkens und dem Gewissem unsers deutscheu Volkes, so dem Sinne der heiligen Schrift und der Bekenntuisse unsrer evaugelisch-lutherischeu Kirche."

Richtet sich auch die Forderung dieser These zunächst nur auf einen einzelnen Punkt, so ergiebt sich doch daraus die allgemeine Folgerung: Klares geschichtliches, Verständnis der Schrift auch für die Gemeinde, nicht nur für die Theologen! Möchte man diese Forderung immer klarer hervorheben uud auf ihre Praktische Erfüllung hinarbeiten. Das ist die Hauptsache: bewähren es Pfarrer uud Lehrer an jeder einzelnen Gemeinde, an jedem Christenherzen, das sie unterweisen, uud bewährt es sich so an unsrer ganzen Kirche, daß der Geist lebendig macht und uicht der Buchstabe, dcmu werden auch die kirchlichen Behörden wissen, was sie zu thun haben, und dauu erst werdeu sie thun können, was sie thun müssen.

Nochmals die Straßennamen. Aus Leipzig erhalten wir eiue Zuschrift (ohne Namen), worin es heißt, daß in dem Aufsätze von Wttlfing über die Ver­wirrung in der Schreibung unsrer Straßennamen doch eigentlich eine rein ortho­graphische Frage zu einer Wichtigkeit aufgebauscht sei, die sie gar nicht habe. Da es nicht unmöglich ist, daß auch audre Leser diese Ansicht haben, so möchten wir ihr doch sofort entgegentreten. Die Redaktion hat sehr wohl gewußt, was sie that, als sie dem Aufsatz von Wülfing in den Grenzboten Aufnahme gewährte. Es handelt sich hier keineswegs um eine orthographische Frage, sondern um eine Frage der Logik, uud daß es Leute giebt, die das gar uicht sehen, ist eben so traurig, wie das Vorhandensein der ganzen Frage selbst. Durch die abgeschmackten Wort­zusammensetzungen, die uns die neue Orthographie aufnötigen will (infolge­dessen, vorderhand u. ähul.), mag sich ja das Urteil darüber, waun wir ein Wort und wann wir zwei oder mehr Wörter vor uns haben, in manchen Köpfen etwas abgestumpft haben. Aber so stumpf kann es doch uoch uicht geworden sein, daß man sich einbildet, ein Hauptwort und das zugehörige flektirte Eigenschafts­wort könnten zu eiuem Worte zusammenwachsen! Eine Zusammensetzung aus Haupt­wort uud Eigenschaftswort ist immer nur dauu möglich, wenn das Eigenschafts­wort in der Form des unflektirten Wortstammes erscheint. Hochgenuß ist eiu Wort, aber hoher Genuß sind zwei Wörter, die nie jemand zusammenziehen wird zn Hohergenuß. Man hat allerdings in einzelnen Fällen wirklich die Thorheit begangen, auch solche Zusammensetzungen zu schreiben, z, B. das Hohe­lied, die Langeweile. Aber man braucht ja solche Zusammensetzungen nur zu flektiren, um sofort zu sehen, wie unmöglich sie sind. Man kann doch nicht schreiben: des Hohenliedes, der Langenweile, mit andern Worten: man kann doch nicht ein Wort in der Mitte nnd am Ende flektiren! Man kann doch vernünftigerweise nur schreibe«: des hohen Liedes, der langen Weile. Ganz ebenso unsinnig ist es, zn schreiben: Franz vsischestraße, G rim maisch e- straße. Nicht um eiu Haar besser aber steht es mit Zusammensetzungen wie Leipzigerstraße, Frankfurterstraße; auch sie sind vollkommen sinnlos. Die von Ortsnamen abgeleiteten Bildungen aufer werden auf zweifache Weise ge­braucht: substantivisch und adjektivisch. Stehen sie im substantivischem Siuue, sc> müssen sie selbstverständlich mit dem Hauptwort, zu dem sie gehören, zusammen­gesetzt werdeu; ebenso selbstverständlich ist es aber, daß sie vom Hauptworte ge­trennt bleiben müssen, wenn sie im adjektivischen Sinne stehen. Keinem Menschen fällt es ein, zu schreiben: der Frankfurterbürgermeister, der Frankfurter-