Maßgebliches und Unmaßgebliches
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denuvch gelang es, die Schuldige» in mehreren Fällen zn überführen. Ähnlich ging es in Slettin, wo dieselben Beamten mich größere Erfolge hatten, nnd mich in Hamburg. Bei der bekannten Vorsicht, deren sich die leitenden Stellen in derartigen schwierigen Lagen ganz besonders befleißigen, ist kanin anzunehmen, daß bei dem Vorgehen gegen das Personal der in Frankfurt einmündenden Züge anders verfahren worden sein sollte, als in frühern Fällen, um so wcniger, als die damals gemachten Erfahrungen keinen Anlaß zn einer Änderung des bisherigen Verfahrens boten.
Wieder ein kirchlicher Notschrei. Es ist uns ein in diesen Tagen versendeter Protestanfrnf in die Hand gekommen, der sich richtet gegen „die sich immer wiederholenden Amtsentsetzungen solcher evangelischen Geistlichen, die ihre von der Kirchenlchre abweichende Überzeugung amtlich oder öffentlich aussprechen." Als Verfasser des Protestes nennt sich Gottfried Schwarz, früher evangelischer Pfarrer in Binau. Die leitenden Gedanken in den beiden Thesen des Aufrufs sind: 1. Die Bezeugung der Wahrheit ist die höchste Pflicht der Kirche nud ihrer Diener. Da die Wahrheit aber kein Sterblicher besitzt, kann dieser Grundsatz nur das Aussprechen der persönlichen Überzeugnng fordern. Wird also dieses verboten, so wird damit überhaupt die Bezengnng der Wahrheit verboten. So ist zn pro- tcstiren „gegen diese Verbote nnd Amtsentsetzungen, weil sie in offenbarem Widerspruche mit dem Willen Jesu Christi sind." 2. Die Kirchenregierungen erheben durch solche Eingriffe für sich den Anspruch auf Unfehlbarkeit. So ist auch zu Protestiren „gegen diese Verbote uud Amtsentsetznngeu, weil dadurch in der evangelischen Kirche dieselbe Mcuschenherrschaft anfgerichtet wird, die in der römischen besteht."
Dieser Protest ist nicht der Ruf einer vereinzelten Stimme. Schwarz wirbt nm zustimmende Unterschriften für seinen Aufruf, und er wird sie finden, das ist keine Frage; es sind ihm andre Rnfer vorausgegangen, unzählige stimmen ihm wenn auch stillschweigend zu und werden ihm weiter zustimmen. Darf da achtlos an solchen Worten vorübergegangen werden? Das mnß allen klar sein, hier treten Widersprüche ans Licht, die unsrer Kirche ans Herz greifen. Hier mnß sich jeder eine klare Überzeugung darüber zn schaffen suchen, wo das Recht nnd die Wahrheit ist, und was Pflicht eines jeden ist, um dieser Wahrheit zum Siege zu verhelfen.
Der Unbefangne sieht nun freilich bald, daß hier nicht das Recht einfach auf der einen, das Unrecht ans der andern Seite zu suchen ist. Der Protest hat zunächst Recht; das Anssprechen der persönlichen Überzeugung darf nicht verboten werden, keine menschliche Lehre in der Kirche darf Unfehlbarkeit beanspruchen. Aber sieht Schwarz nicht, daß hierauf den kirchlichen Behörden die Antwort leicht gemacht ist? Deine persönliche Überzeugnng, werden sie sagen, darfst du ruhig aussprechen, nur nicht als Prediger, der gegen die Lehre der eignen Kirche predigt, und Unfehlbarkeit nehmen wir auch für unsre Meinung keinen Augenblick in Anspruch. Und wenn sie das sagen, so haben sie auch Recht.
Wir verzichten darauf, Rede und Gegenrede, wie sie sich nuu weiter folgen könnten, hier auszuführen, wir wollen nur die entscheidende Frage anregen: wie ist da nun Recht uud Unrecht zn scheiden, wo ist die Wahrheit, wie kann die Kluft zwischen diesen Gegensätzen überbrückt werden?
Was hat die Klnft geschaffen? Die Kirche glaubt, daß in den Bekenntnissen, auf die sich die Predigt gründen soll (nnd sie soll sich darauf gründen, weil es