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Freiwillige Flottensteuer
doktrin, die es in Amerika bekämpft, in seinem Interesse auf Afrika übertrüge, dann würde man in Deutschland mit Recht die Frage stellen, zu welchem Zwecke wir uns au Englands Seite noch lange für die Aufrechterhaltung internationaler Verbindlichkeiten iu Europa erhitzen sollen. Wollte England die Unabhängigkeit Transvaals nicht achten, so würde das ein Vorgang sein, der in seinen Folgen allen Aussichten des deutschen Volkes ans selbständige Ausdehnung auf dem einzigen Kontinent, wo wir lebensfähige Kolonien besitzen, alles Licht verbaute. Das aber würde wieder nichts andres heißen, als auf die Dauer unser nationales Leben in Frage zu stellcu. Glauben denn die Engländer wirklich, daß wir uns ruhig die Kehle von ihnen zuschnüren lassen werden, ohne uns mich deu Mitteln umzuthun, die, mögen sie zn haben sein, wo sie wollen, darnach angethan sind, den starken Verbündeten auf unsre Seite zu ziehen, weil sie ihm Ersatz für frühere Verluste bieten?
So liegen für uns die Dinge. In der That sehr günstig, wenn man sie nur von der Seite der Bündnismöglichkeit ausieht, und das wissen ernsthafte englische Politiker sehr gut. Von dieser Seite also brauchen wir keine Furcht zu haben, und wenn auch Sir John Balfour in einer großen Volksversammlung in Manchester für einen Staatsminister sehr laut tönende Worte geredet hat, so hatten diese doch mehr deu Zweck, den Zorn des thörichten englischen Publikums zu beschwichtigen, als eine Drohung an Deutschland zu richten.
Aber wenn das auch alles richtig ist, und es ließe sich dein Gesagten noch eines oder das andre hinzufügen, so ist doch der Schatten an der Wand dagewesen, oder er ist vielmehr noch da, und von einer andern Seite betrachtet, sieht er sogar sehr bedenklich aus. Es soll nicht darauf hingedeutet werden, daß bei dem Zwischenfall, den die Depesche unsers Kaisers hervorgerufen hat, unsre teuern Verbündeten, wenn man auf Preßstimmeu etwas geben darf, eine recht eigentümliche Miene machten, sondern das schlimme, ja furchtbare ist, daß die große Mehrzahl des deutscheu Volkes uoch gar keine Ahnung davon hat, um was es sich eigentlich handelt.
Es ist Thatsache, daß sich seit Jahrzehnten die Nationen der Neuzeit um die großen Weltmeere zn gruppireu beginnen, wie die Staaten des Altertums um das Becken des Mittelländischen Meeres. Bei der ungeheuern Macht- entfaltuug der Weltmächte, und noch mehr bei dein fabelhaften Aufschwuug, deu die Technik geuommeu hat, giebt es kaum uoch eine Entfernung, uud auf deu Wogen des Ozeans spielt sich dasselbe ab, was einst auf deu verhältnismäßig eugen Räumen zwischen der Straße von Gibraltar und den Dardanellen vor sich ging. Die eigentlichen Entscheidungsschlachten werden, man mag sagen, was man will, der Hauptsache nach nicht zu Lande, sondern auf dem Meere geschlagen werden.
Man hat trotz alles Geschichtsunterrichts in unsern Schuleu, vielleicht auch ebeu deswegen, eiuen wahre» Horror vor deu Lehren der Geschichte.