Maßgebliches und Unmaßgebliches
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4500 Mark jährlich zu sehen. Leider wird ihm wohl die Fähigkeit, diesen Mammon zn genießen, inzwischen verloren gegangen sein.
Doch es ist auch noch von einer Zulage von 900 Mark die Rede, die die obere Hälfte von 32 Archivbeamten, also im ganzen 16, erhalten sollen. Diese Zulage ist ihnen von Herzen zu göuueu. Nur kommt zu diesem Vorteil, den sie vor den jüugern voraus haben, »och der andre hinzu, daß sie, da in frühern Zeiten die Verhältnisse besser waren, viel schneller in höhere Stellungen aufgerückt sind. Ein Teil von ihnen hat eine außeretatmäßige Dienstzeit gar nicht durchzumachen gehabt. Bei der Berechnung der Dienstnlterszulagen wird aber nur die etatmäßige Zeit berücksichtigt,^) das ist den jüngern Leuten gegenüber eine ent- schiedne Ungerechtigkeit.
Aber diese Zulage von 900 Mark wird ja auch den jüngern einmal zu teil, da ja jeder vou ihueu die Hoffnung hegen darf, selber einmal zu deu obern 16 zu gehöre». Theoretisch ist das ganz richtig, in Wirklichkeit aber stellt sich die Sache doch anders. Der jetzige jüngste etatmäßige Beamte muß erst 15 Vorgänger, die jetzt 'meist im kräftigsten Mannesalter stehen, hinsterben sehen, ehe er zum erstenmal iu den Geunß jener Zulage tritt, die ihm endlich ein behagliches Dasein ermöglicht. Die Aussichten der hinter ihm kommenden, jetzt noch nicht etatmäßigen Beamten sind natürlich noch schlechter. Nun denke man sich eine Reihe jnnger Leute, die auf den Tod von mindestens fünfzehn ihnen meist persönlich bekannten Vorgängern geradezu angewiesen sind! Es ist gut, daß die Archivbeamten so friedliche Leute sind, nnd daß wir nicht in den Zeiten der Renaissance leben, sonst müßte man wahrhaftig Bedenken tragen, sich von einem jüngern Kollegen zn Gaste laden zu lasse».
Und bei diesen Aussichten, die sich für den jedesmaligen Nachwuchs immer ungünstiger gestalten, hat man noch deu Mut, eine Archivschule zu gründen! Wenn der Staat junge Leute für eiue bestimmte Thätigkeit ausbilden läßt, muß er ihnen doch die Bürgschaft geben, daß ihnen diese Thätigkeit in absehbarer Zeit ein auskömmliches Lebe» gewähren wird. Wie die Sachen jetzt stehen, müßten die Archivaspiranten Narren sein, wenn sie nicht jede sich darbietende Gelegenheit ergriffen, wo anders unterzukommen. Der Geschichtsprvfessor, der heutzutage seine Schüler veranlaßt, die Archivlaufbahn einzuschlagen, handelt einfach gewissenlos.
Aber bald hätten wir die Krönung des Gebäudes vergessen! Wie die „Direktoren" der Bibliotheken, so sollen nach dem uenen Etat auch die Vorstände der Staatsarchive „Funktionszulagen" erhalten. Aber nicht, wie dort, sämtliche Vorstände, sondern nur die des geheimen Staatsarchivs in Berlin und die der sechs Provinzialnrchive in Breslau, Kobleuz, Düsseldorf, Hannover, Königsberg und Marburg. Die Auswahl dieser sechs Provinzialarchive ist ganz willkürlich. Die siebzeh» preußische» Staatsarchive sind vielleicht mit Ausnahme von drei oder vier in ihrem Umfange nicht so von einander verschieden, daß ein solches Herausgreifen gerechtfertigt wäre. Die Bevorzugung dieser sechs Archive wird also viel böses Blnt machen, besonders da das Prinzip der Anciennität hier durchbrochen wird. Dabei ist aber noch ein andrer Übelstand. Es ist wünschenswert, daß jedes Archiv seinen Vorstand möglichst lange behalte, da sich dieser in die örtlichen Verhältnisse und die Geschichte der Provinz am besten eingelebt haben wird. Von nun an
*) Bei den Bibliothekaren, denen die Archivare jetzt im übrigen gleichgestellt sind, muß von der inchtetatmäßigen Zeit alles angerechnet werden, was über drei Jahre hinausgeht. Was für die einen recht ist, wird wohl für die andern billig sein.