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Englische historische Romane
zu schildern hat, einen Stich ins Pretiöse oder spielt, wenn er, wie Black- more in „Lorna Doone," eine Durchschnittsnatur und alltägliche Zustände darstellt (die sich sehr wohl mit abenteuerlichen Erlebnissen vertragen), in die Trivialität der bloßen Spannungs- und Unterhaltungserzählung hinüber. Bringt man in Anschlag, daß drei Viertel der kulturgeschichtlichen Romane Jungenglands von ähnlichem Gepräge sind, so läßt sich begreiflicherweise wenig Freude an diesen Leistungen gewinnen. Jedenfalls berühren sie unsre Litteratur nicht.
Gleichfalls der „Romantischen Bibliothek" angehörig ist die Übertragung eines englischen Romans, der freilich nicht zu den historischen zählt, sondern eher ein Beitrag zur Geistesgeschichte des neunzehnten Jahrhnuderts genannt werden kann. Der Roman Aus zwei Welten von Maria Corelli (aus dem Englischen von Jsabella Hummel) ist mit seinen Vorreden und Nachworten ein charakteristisches Zeugnis dafür, in welcher Weise der Höhenwahn und die Sensationssucht am Ende dieses Jahrhunderts alle Kreise, alle Weltanschauungen durchdringen. Die Verfasferin, die sich ihrer idealen wie ihrer christlichen Gesinnung rühmt, Predigt, daß das Leben Elektrizität sei, will mit ihrem Roman nichts mehr und nichts weniger beweisen, als daß „erstens Gott und sein Geist wahrhaft bestehen; zweitens, daß, während wir die kleinlichen Geschäfte unsrer Zeitlichkeit mit dem gleichen thörichten Eifer betreiben, mit dem Kinder Kartenhäuser aufbauen, sich die ungeheure Zentralsphäre stetig um uns dreht und der elektrische Ring stark und unzerstörbar ewig sein Werk des Schaffens und Wiederzerstörens vollbringt; drittens, daß jeder Gedanke und jegliches Wort von jedem Bewohner auf jedem Planeten in leuchtenden Lettern vor den Augen des Schöpfers aufflammt, ihm ebenso leicht lesbar wie ein Telegramm; viertens, daß diese Erde der einzige Fleck im Universum ist, wo sein Dasein wirklich bezweifelt und angefochten wird. Dazu sind der allgemein verbreitete Realismus (!), Materialismus und Atheismus die schrecklichsten und bezeichnendsten Zeichen unsrer Zeit. Das Werk, den Weizen vom Unkraut zu sondern, hat jedoch begonnen." Die Offenbarung, die uns der Roman zuteil werden lassen will, füllt jedoch keineswegs mit der demütigen Zuversicht derer zusammen, die an Gott glauben, auf die Unsterblichkeit ihrer Seele bauen und nach dem Erdenleben ein lichtvolleres, reineres Dasein in andern Sphären erwarten oder doch hoffen, sondern verkündet, daß allen denen, die Christi Lehre aufrichtig lieben und verstehen und nach der höchsten Vergeistigung eines lautern und vollkommnen Lebens streben, wunderbar geheimnisvolle Kräfte verliehen sind, die Fähigkeit zu jeglichem Wunder, die Gabe zu heilen und gesund zu machen, jegliche Macht auf eines Menschen Herz. „Dieser Spiritismus ist der Ausfluß des elektrischen Geistes der Gottheit im Menschen und steht in Verbindung mit dem erhabnen Mittelpunkt der Gottheit im Schöpfer, er kann mit Engeln reden, kann Kranke gesund machen und Traurige trösten,