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Englische historische Romane
cm, ob der Reihe hohler und abgeschmackter Erfindungen, die unter dem schützenden Mantel der Geschichte einherwandeln, noch ein paar mehr hiuzu- gesellt werden. Aber der feierliche Ton, neben dem schulmeisterliches Ungeschick im Vortrag waltet (Redewendungen wie „Wenn wir diese Regel hier anwenden," „Da wir, Verfasser und Leser nicht zur Menge gehören und ein Interesse an dem Manne nehmen, von dem uns mehr als ihnen bekannt ist," „Der Leser wird die Höflichkeit, die in der Entsendung der Sänften für die beiden Damen zum Ausdruck gelangte, zweifellos auf die Eifersucht zurückführen," „Es ist vielleicht aufgefallen, daß usw. Bemühen wir uns diesen Widerspruch zu er-- klären" gehen dnrch beide Bände hindurch), und die eigentümliche Prätension, die in der religionsphilosophischen Färbnng des Ganzen bei vollkommen gewöhnlichen Romanvvrgängen liegt, sordern den schärfsten Widerspruch heraus. Die Beziehung zu der stammverwandten englischen Litteratur ist vor Zeiten der unsrigen zugute gekommen; wie die Dinge jetzt liegen, ist es vorteilhafter, daß das Band beinahe durchschnitten ist. ,^ >
Einfacher, natürlicher, aber nicht wesentlich poetischer ist der Roman Lorna Doone von R. D. Blackmore, den die deutsche Übersetzerin Margarete Jaeobi nach der sechsunddreißigsten Auflage des Originals „bearbeitet" (d. h. beim Übersetzen vielfach und keineswegs überall zum Vorteil des Werkes gekürzt) hat. „Lorna Doone" eröffnet die Bändereihe einer nenen „Romantischen Bibliothek," die die Verlagsbuchhandlung von Robert Lutz in Stuttgart herausgiebt. Die Nomantik des Romans ist nichts mehr und nichts weniger als ein Stück Räuberromantik, die Handlung spielt in den Tagen Karls des Zweiten und Jakobs des Zweiten, des schrecklichen Lordoberrichters Jeffreys, also auch der Geächteten, der Highwaymen, der beständigen Be-> drohungen alles Privatlebens und Privatglücks durch den jähen Wechsel der öffentlichen Zustände und die Ohnmacht der Staatsgewalten. Der alte englische Abenteurerroman, wie ihn De Foö begründet hat, und der Sittenroman der Fielding und Smollet reichen sich in Blcickmores romantischer Erzählung die Hand, der angeschlagne Ton eines Memoirenromans, den der Held John Ridd, anfänglich Freisasse und später Sir John Ridd zu Oare in der Grafschaft Somerset, selbst erzählt, ist ziemlich gut festgehalten. Der wackre Freisasse aus alter, guter Familie, der unter hundert Lebensgefahren und drohenden Hindernissen schließlich seine geliebte Lorna Doone heimführt, steht seinem Anschauung und Bildung nach näher bei Sauire Western als bei spätern feinern Gentlemen der englischen Erzühlungskunst. Aber er hat das Herz auf dem rechten Fleck, arbeitet sich durch alle Fährlichkeiten tapfer durch, kommt ein paarmal mit blauem Ange davon, weil hinter seiner Treuherzigkeit selbst Lord Jeffreys keinen Hochverrat wittern kann, und schlägt im übrigen mit Messer oder Schwert eiue so gute Klinge, als man von einem englischen Freisassen des siebzehnten Jahrhunderts nur erwarten kann. Das Sittenbild, um das