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Maßgebliches und Unmaßgebliches
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Litteratur

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Arms. Kurz: einen Menschen hat uns Hundrieser in diesem Denkmal hingestellt, keinen verzerrten Manekino.

Vielleicht ziehen wir eine Lehre aus dieser Berolina: sie ist ein echtes Ge­legenheitsgedicht, unter dem Sonnenstrahl einer wahrhaftigen innern Erfahrung ans Licht getreten und gediehen, ist, nicht befohlen und nicht in einer Kommission zu Schanden redigirt worden. Darnm lebt sie und hat Musik in ihr selber.

Schanddeutsch und Deutschenschande. In Goethes Vaterstadt ist vor kurzem ein Adreßbüchlein christlicher Firmen erschienen, und zwar nicht von diesen Firmen selbst, auch incht iu deren Auftrag, sondern von dem FrankfurterDeutschen Verein" auf eigne Faust herausgegeben. Obwohl es nun diese christlich-germanischen Firmen nicht hätte zu stören brauchen, wenn sie derDeutsche Vereiu" lieb hatte, brach dennoch ein großer Entrüstungssturm in einer Unzahl von Erklärungen aus, deren Verfasser meist kund und zu wissen thaten, daß ihr Name ohneihr Wissen und Willen" (oder in der ersten Person gesprochen:ohne mein Wissen und Willen") in das Adreßbüchlein geraten sei. Diese Sprachseuche grassirte eine ganze Woche lang, ohne bemerkt zu werden! Sogar in dem redaktionellen Teil der Frankfurter Sonne" war dieser Sounenfleck zu sehen. Von der schönen Sprache abgesehen, haben sich die Firmen auch insofern vielleicht mehr geschadet als genützt, als die Antisemiten jedenfalls im abgelaufnen Jahre hier von allen Parteien die größte und am stärksten besuchte Versammluug gehabt haben, obwohl die Presse thörichter­weise davon schwieg. Wenn die jüdische Presse so vernünftig ist, die sozialdemokra­tische Bewegung sich ausleben zu lassen, warum läßt sie der antisemitischen nicht das gleiche Recht? Aber schimpfen wir nicht auf die jüdische Presse! Das jüdischste Blatt in Frankfurt a. M., der Generalanzeiger, wird hauptsächlich von christlichen Händen bedient.

Litteratur

Die Überwindung des wissenschaftlichen Materialismus. Vortrag, gehalten in der Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Arzte zu Lübeck von Wilhelm Ostwald, Professor der Chemie an der Universität Leipzig. Leipzig, Veit n. Comp., 18SS

Nach der (unter den Naturforschern) herrschenden mechanistischen Weltansicht sind die Atome und die zwischen ihnen wirkenden Kräfte die letzten wirklichen Dinge, auf denen die einzelnen Erscheinungen beruhen. Diese Auffassung, die man sich gewöhnt hat als sichersten Ausdruck der thatsächlichen Verhältnisse an­zusehen, ist nach der Überzeugung des Verfassers eine bloße Hypothese. Denn eine Bestätigung der aus ihr sich ergebenden Folgerung, daß alle nicht mechanischen Vorgänge, wie die Wärme, die Strahlung, die Elektrizität usw., thatsächlich eben­falls mechanisch seien, ist noch in keinem einzigen Falle gebracht worden. Die sogenannten mechanischen Theorien sind also in Wirklichkeit nur Bilder oder Ana­logien, und das einzige, was man von ihnen mit Sicherheit sagen kann, ist, daß sie über kurz oder lang in nichts zerfließen werden. Können wir schon die be­kannten Physikalischen Erscheinungen nicht mechanisch deuten, so gelingt das noch