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Lin Hollcmdgänger
die Freiheit verloren hatte. Mein Begleiter brachte mich zum Bahnhof. Dort kam ein Bauernfänger zu mir, überreichte mir eine Handvoll Cigarren und versprach mir zehn Gnlden für jeden Deutschen, den ich ihm zuweise» würde. Dann dampften wir ab. In Zwolle verließen wir den Zug, mein Begleiter lieferte mich auf der Polizei ab und verabschiedete sich dann von mir.
Nach einer Stunde wurde ich aufgefordert einzusteigeu und glaubte, daß es nnn direkt nach Deutschland ginge. Aber ich mußte einen Transportwagen besteigen, in dem es vollständig dunkel war. Vor einem großen Hause hielten wir un, drei Wächter nahmen mich in Empfang, die Thür schloß sich hinter mir — ich befand mich in einer Strafanstalt. Der Anstaltsschreiber fragt, ob ich meinen Namen schreiben könne. Ich beschwere mich über die Behandlung, aber der Cipier erklärt sehr gemütlich, daß ich eingesperrt sei. Ich verlange, vor den deutschen Konsul geführt zu werden, der Cipier lacht. Ich muß alles, was ich in der Tasche habe, abgeben, mich wieder in das „Fremdenbuch" eintragen und werde in eine Kellerzelle geführt, in der sich schon zwei holländische Sträflinge befinden. Ein Wärter bringt mir einen „Knacken" schlechtes Schwarzbrot. Ich werfe es ihm nach. Er grinst und meint, ich würde es schon noch essen. Um ^10 Uhr wurden wir durch den schrillen Ton einer gesprungnen Glocke zum Schlafen kommandirt und jeder in sein vogelbauerartiges Bett eingeschlossen.
Nachdem ich etwa zwei Stunden in der kalten Zelle zugebracht hatte, wurde ich auf meine Reinlichkeit hin untersucht und mußte mir dabei Unverschämtheiten des Wärters gefallen lassen. Dann kam ich in eine andre Zelle. Warm war es dort, aber die Luft wurde durch die darin befindlichen ekelhaften Eimer verpestet. Zur Gesellschaft hatte ich sechs holländische Landstreicher und den Sohn eines deutschen Offiziers mit altadlichem Namen.
Am andern Morgen wurde ich wieder in die erste Zelle geführt, fror dort eine Stunde und wurde dann mit dem großen Wagen zur Bahn gebracht. Ich hatte wieder einen Begleiter bei mir und hatte nicht übel Lust, ihm auf deutschem Boden einen Schelmenstreich zu spiele»; doch blieb er wohlweislich in Oldenzaal und gab nur eine Fahrkarte nach der zweiten Grenzstation Vent- heim, wo ich ohne einen Pfennig Geld, aber froh über meine wiedererlangte Freiheit ausstieg.
Da ich im Gefängnis in Zwolle mit weiß gefärbtem Wasser und einem Stück Schwarzbrot verpflegt worden war, verspürte ich in Bentheim einen Niesenhunger. Mein erstes Debüt im Betteln war erfolglos. Ich ging durch die Zollgrenze und trat ins Freie. Ein fein gekleideter älterer Herr kam auf mich zu. Er war auch mit dem Zuge gekommen und hatte mich in Holland in Begleitung des Feldjägers gesehen. Ich erzählte ihm die Bedeutung des Trausports und meine Geschichte und bat ihn, mir Arbeit zu verschaffen, damit ich mir das Reisegeld verdienen könnte. Er gab mir eine Mark und zwei Adressen von Großindustriellen in dem sechs Kilometer entfernten Schüttvrf. Nachdem ich mich für dreißig Pfennig leidlich satt gegessen hatte, machte ich mich auf den Weg. Der erste, dessen Adresse ich hatte, brauchte keinen Arbeiter, , der andre wollte keinen von der Straße nehmen und fertigte mich sehr kurz ab. Bei einem dritten war es noch schlimmer. Ich verließ also Schüttvrf und ging auf das zehn Kilometer entfernte Salzbergen zu. Unterwegs traf ich einen „Kunden," der mit ernster Miene sagte: Du, in Salzbergcu ist heute Kirmes, es ist mächtig heiß drin, ich habe außer zwei