Das Petroleum
317
eines fünfzehnjährigen Sekundaners sind bekanntlich sehr streng. Nietzsches Wort, daß es nicht an Lehrern, aber an Erziehern fehle, war damals zwar noch nicht geschrieben, aber schon ebenso wahr als heute. Thatsache ist, daß, wen» dieser Mann eine geschichtliche Person lobte oder uns ein geschichtliches Ereignis als ruhmreich pries, er uns damit die Person und die Sache immer außerordentlich verdächtig machte. Das stiftete vielen Schaden, aber wie ich im Laufe der Zeit habe erkennen lernen, auch manchen Nutzen. Ich bin dadurch jeder Geschichtschreibung gegenüber ungewöhnlich sruh kritisch geworden, und es ist immerhin etwas wert, daß einem die llew weder in der einen noch in der andern Auffassung allzusehr imponiren.
Damals waren nun die Merowiuger mit den roten Königslocken meinem Herzen teuer. Die Nachkommen Pharamunds waren für mich die rechtmäßigen Könige, denn das Geschlecht hatte das Land erobert und gegen eine Welt von Feinden jahrhundertelang erfolgreich verteidigt. Die karolingischen Hausmeier aber wnreu nichts andres — so erklärte ich meinen Beisitzern im weltgeschichtlichen Gericht — als untreue Verwalter, schlaue Hunde, und was „der" ^ damit war der Lehrer gemeint — als Nebensache erwähnte, war die Hauptsache: daß Chlodwigs Enkel die Unfreien, die Halbfreien, die Audrustionen, ihr Hofgesinde und Gefolge durch den Obersten des Gesindes auszahlen ließen, statt das selber zu thun, daran sind sie zu Grunde gegangen. Wer sich für der Meier persönliche Zwecke brauchbar erwies, der bekam die besten Lehen, das größte Einkommen im Namen des Königs, wer sich ihren Pläne» widersetzte, war kein zuverlässiger Diener des Königs und bekam nichts. Natürlich waren sie die eigentlichen Herren geworden, nachdem das anderthalb Jahrhunderte so gegangen war. Wer den Leuten das Brot vorschneiden kann, der hat immer die eigentliche Macht.-
Es wurden verschiedne Einwände gemacht: merowiugische Schwäche, Verderbnis der Sitten; aber das kam nicht auf. Es war in der Klasse eine erstaunliche Menge nichtofsizieller Kenntnisse vorhanden über den blutigen Karl, seine „Frauen" und seine Fräulein Töchter. Und „die Karolinger waren auch nicht besser," war ein fast einstimmig gefülltes Urteil. Nur eiu Junge machte Eindruck. Er sagte ungefähr: aber wenn die Merowinger so dumm waren, daß sie sich die wirkliche Macht aus den Händen gleiten ließe», ohne es nur zu merken, wenn sie zuließen, daß ihr Name dazu mißbraucht wurde, ihre Unterthanen vou cmderu abhängig zu machen als von ihnen selbst, so ist ihnen doch ganz recht geschehen, daß sie das Reich verloren.
Der Junge hatte vielleicht Recht. Hatte er aber Recht, dann mögen sich unsre Könige hüten: der Pariser Rothschild übt heute mehr thatsächliche Macht nus, als je einer der absoluten Könige Frankreichs. Mit ihm im Verein erhebt Petrvlenm-Nockefeller von Amerika aus durch seine Steuereinnehmer, die frühern Importeure, in Deutschland eine Taxe, der sich keiner entziehen kann.