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Was verlangen wir von einem bürgerlichen Gesetzbuch? : ein Wort an den Reichstag :
(Schluß)
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Mas verlange» wir von einem bürgerlichen Gesetzbuch? 271

weise zu legen und wissen ein reines und gutes Deutsch zu schützen. Daß aber die deutsche Sprachezur grammatischen und etymologischen Präzision" wenig tauglich sei, wie derselbe Gelehrte behauptet, glaubt wohl kaum noch jemand, nnd auch Saviguy würde jetzt zugegeben, daß unsre Sprache eine solche sei, iu der ein Gesetzbuch geschrieben, nnd zwar gut geschrieben werden könne. Ein Gesetzbuch als das bedeutendste und dauerndste Denkmal seiner Zeit und Kultur soll daher auch die höchste Blüte dieser Kultur iu jeder Richtung hin sein und auch in der Sprache sich die zum Muster uehmeu, die anerkannt das beste Deutsch ihrer Zeit schreiben.

Ob der Entwurf mindestens diese Forderung erfüllt, bedarf also gleich­falls der Prüfung. Wie sollte der Reichstag nicht zu ihr berufen sein, da es sich dabei doch wiederum nicht um rein technisch-jnristische Dinge handelt?

Es ist aber überhaupt zuzusehen, ob es richtig sei, daß ein Gesetzbuch sich bloß an den Nichter und Nechtsgelehrten wende. Hervorragende Gesetz­geber sind darüber andrer Ansicht gewesen. So hat Friedrich Wilhelm I. von Preußen schon bei Erlaß des Oorvus ?Mgrie,ig.imnr seine von den Ver­fassern freilich nicht verwirklichte Absicht dahin ausgesprochen, er habe das Landrecht in deutscher Sprache verfertigen lassen, damit ein jeder, der einen Prozeß hat, solches selber nachsehen und, ob er Recht oder Unrecht habe, daraus erlernen könne." Und der große Friedrich erließ am 14. April 1780 eine Kabinettsordre in Bezug auf die Kodifikation des Landrechts, in der er sagt:Was die Gesetze selbst betrifft, so finde ich es sehr nnschicklich, daß solche größtenteils in einer Sprache geschrieben sind, welche diejenigen nicht verstehen, denen sie doch zu ihrer Richtschnur dienen sollen. Ihr müßt also vorzüglich dahin sehen, daß alle Gesetze für unsre Staaten uud Unterthanen in ihrer eignen Sprache abgefaßt werden."

Ja das Streben nach Gemeinverständlichkeit der Gesetze geht noch weiter zurück. Schon bei der Revision des württembergischcn Landrechts bat 1567 der Ausschuß,es möchte alles in ein gemein, einfaltig, landläufig gut Deutsch gebracht werden." Und dieselbe Rücksicht war bei der bambergischen Hals­gerichtsordnung maßgebend, in deren Vorrede es heißt:Wir haben auch in dieser vnser ordnung vmb eigentlicher merkung vnd beheltnus willen des ge­meinen mans figur vnd reumen orden vnd drucken lassen."

Darüber, daß das Gesetz mit seinen Normen nicht nur, wie Thon an­nimmt, Vorschriften für den Nichter enthält, wie er die Streitsachen zu ent­scheiden habe, sondern alle Volksgenossen unmittelbar binden, deren Lebens- nnd Rechtsverhältnisse regeln will, ehe sie vor den Richter gebracht werden, darüber ist wohl heute kaum noch ernstlicher Streit. Richtet sich aber der Befehl nicht nur an die Nechtsgelehrten und Nichter, sondern an das ganze Volk, so folgt daraus ohne weiteres, daß er auch in einer allem Volk ver­ständlichen Sprache ausgedrückt werden muß. Hiermit ist keineswegs das Ver-