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Staatshilfe oder Selbsthilfe?
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Staatshilfe oder Selbsthilfe?

hat einmal eiu alter Landmann gesagt, er sei im Pferdehandel am meisten von Verwandten und guten Freunden betrogen worden. Nun sind zwar dem offen­baren Betrug beim Pferdehandel durch das Gesetz SchraUken gezogen worden. Aber das bezieht sich doch nur auf ganz bestimmte und deutlich nachweisbare Fehler. Die Gesetze lassen sich weder hierbei noch auf andern Gebieten des Handels so scharf fassen, daß nicht der Übervorteilung ein weiter Spielraum gelassen bliebe, und hiergegen hat sich jeder selbst zu schützen. Um bei der Landwirtschaft zu bleiben: besonders in den viehzüchtenden Gegenden, u. a. in meiner Heimatsprovinz Schleswig-Holstein, gilt Geschicklichkeit im Handel, nämlich die Redekunst, die auf Täuschung berechnet ist, und wiederum die Wider­standsfähigkeit gegen solche Reizmittel als eins der Erfordernisse der Bernfs- tüchtigkeit, und wer darin zurücksteht, wird nicht etwa als ein Tugendmuster bewundert, sondern als sür seinen Beruf ungenügend befähigt angesehen.

Die Verdächtigung des Erfolgs hat andre und weniger ehrenwerte Be­weggründe als sittliche Entrüstung. Es liegt hier ein dem Sozialismns ver­wandtes Mißtrauen gegen die Gerechtigkeit nnsrer Gesellschaftsordnung zu Grunde, die Vorstellung, als ob sich die bei der Privatwirtschaft unvermeid­liche Kreuzung der Jnteresfen in Einklang auslosen lasse. Die Ungleichheit der Güterverteilung, die noch dazu stark übertrieben und als einseitig gewisse Berufs­stände schädigend dargestellt wird, muß zum Vorwaud dienen, um auch der berechtigtsten Wahrnehmung der eignen Zutreffen einen Makel anzuheften. Diese Forderungen eines angeblichen Gerechtigkeitsgefühls gehen in Wahrheit daranf aus, einen Schutzwall für Untüchtigkeit und wirtschaftlichen Leichtsinn zu errichten. Und eigentlich ist es auch folgerichtig, daß, wenn die Ungleich­heit des äußern Loses als ein Unrecht gilt, auf ihre Ursache, die Ungleich­heit der menschlichen Kräfte, zurückgegangen und schon diese als ein Verstoß gegen die Gerechtigkeit betrachtet wird, insofern als jede Verwertung mensch­licher Kräfte im eignen Interesse notwendig eine Ungleichheit der äußern Lage schafft. Streng genommen giebt es gar kein Vorwärtsstreben im wirtschaft­lichen Leben, kein Anspornen der eignen Kräfte, was nicht von jenem Staud­punkt aus als ein Unrecht gegen andre oder gegen die Gesamtheit gedeutet werden könnte.Hartherzig" ist jeder, der einen Mitbewerber aus dem Felde schlägt, denn er schmälert dessen Unterhalt oder vernichtet wohl gar seine Existenz. Und doch ist jede Ausbildung der Kräfte des Einzelnen darauf be­rechnet, einen Vorzug zu gewinnen vor andern, die dieselbe Ausbildung ge­nossen haben und dieselben Anstrengungen machen. Die Wirkungen, die das Verhalten des Einzelnen im wirtschaftlichen Leben übt, sind gar nicht so genau zu berechnen, daß er in jedem Falle sein Verhalten daraufhin prüfen könnte, ob es andern Schaden oder Gewinn bringt.

Aber das Vergehen des Strebsamen in den Augen unsrer Weltverbesserer reicht weiter, sein Verhalten hat eine allgemeinere Wirkung als die Verdrängung